Geldern Gericht: Geldstrafe für vergessenes Tuch

Nach einem Kaiserschnitt am Clemens-Hospital Geldern blieb ein Tuch im Bauch der Patientin. Deshalb bildete sich ein 25 Kilogramm schwerer Tumor. Das Amtsgericht verurteilte zwei Ärzte wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Ein Tumor von drei bis vier Kilogramm Gewicht bildet sich normalerweise, wenn der menschliche Organismus einen Fremdkörper einkapselt. Eine mehr als 25 Kilo schwere Geschwulst als Folge einer solchen Abwehrreaktion ist ungewöhnlich, wie der medizinische Sachverständige am Donnerstag am Amtsgericht Geldern erklärte.

Doch genau solch eine wuchs in der heute 32-jährigen Carolin Beyers ab Mai 2007 nach und nach heran. Die Ursache war ein Tuch, das im Gelderner St.-Clemens-Hospital nach einem Kaiserschnitt im Bauch der Frau vergessen worden war. Dafür verhängte das Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung Geldstrafen von 13 000 beziehungsweise 2550 Euro gegen den Chefarzt der geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses und gegen eine damalige Assistenzärztin.

Mehrmals abgetastet

Die Medizinerin führte am späten Abend des 29. November 2005 die Operation durch. Damals befand sie sich im zweiten Jahr der Weiterbildung zur Fachärztin. Ihr zur Seite stand der Chefarzt mit damals bereits 20-jähriger Berufserfahrung. Die Operation verlief ohne Komplikationen. Die Zählkontrolle ergab, dass ein 45 mal 45 Zentimeter großes Bauchtuch fehlte. Beide Ärzte sagten aus, dass es trotz mehrmaligen Abtastens des Bauchs und sorgfältiger Suche im gesamten OP-Saal nicht gefunden werden konnte. "Offensichtlich waren in einem Paket nur vier statt fünf Tücher eingepackt", nannte die Ärztin vor Gericht eine mögliche Fehlerquelle. Am nächsten Tag, an dem die Ärztin frei hatte, sollte zur Sicherheit der Bauch der Patientin geröntgt werden, um auszuschließen, dass sich dort noch ein Tuch befinde. Zu der Kontrolle kam es nicht, was sich gestern beide Angeklagten nicht erklären konnten.

Von einem "groben ärztlichen Behandlungsfehler" sprach Rechtsanwältin Birgit Guyens, die die als Zeugin und Nebenklägerin auftretende 32-Jährige vertrat. Sie listete die Folgen für ihre Mandantin auf: Schock, Krebsangst, Darmverschluss, die Familienplanung sei unter anderem wegen der psychischen Belastung beeinträchtigt. Sie forderte eine sechsmonatige Bewährungsstrafe für den Chefarzt und 3300 Euro Geldstrafe für die Ärztin. Der Staatsanwalt sah die Verantwortung bei der Operation und der Nachsorge bei beiden Medizinern, das Verschulden bei der Organisation hinterher treffe den Chef. Für ihn verlangte der Staatsanwalt eine sechsmonatige Bewährungsstrafe, für dessen jüngere Kollegin 3000 Euro Geldstrafe. Die Verteidigerin der Ärztin plädierte auf Freispruch, die Verteidigerin des Arztes hielt eine Geldstrafe für angemessen. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.

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