Gemeinnützigkeit aberkennen Gelderländer Vereine kritisieren Scholz

Gelderland · Der Bundesfinanzminister möchte Vereinen, die Frauen beziehungsweise Männern die Mitgliedschaft ohne triftigen Grund verwehren, die Gemeinnützigkeit entziehen. Vereinsfunktionäre aus der Region halten nichts von den Plänen.

 Schützenhüte liegen gestapelt auf einer Bank.    Archivfoto: Bretz

Schützenhüte liegen gestapelt auf einer Bank. Archivfoto: Bretz

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums gibt es in NRW rund 81.000 gemeinnützige Körperschaften. Die meisten davon sind als Vereine organisiert (Stand Ende 2018). Wie viele der gemeinnützigen Vereine reine Männer- oder Frauenvereine sind und welchen Zweck sie verfolgen, weiß das Ministerium nicht. Darüber gebe es keine Erhebungen, hieß es auf Nachfrage unserer Redaktion. Entsprechende Satzungen seien aber bekannt bei Sportvereinen, Schützen- oder Karnevalsvereinen, Chören oder im Gesundheitsbereich bei Schwesternschaften.

Einige dieser Vereine dürften zuletzt jedoch gezuckt haben, als Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mitteilte, das Gemeinnützigkeitsrecht verändern zu wollen. Geht es nach Scholz, soll Vereinen, die Frauen die Mitgliedschaft ohne triftigen Grund verwehren, künftig die Gemeinnützigkeit entzogen werden, ebenso die damit verbundenen finanziellen Vorteile. „Vereine, die grundsätzlich keine Frauen aufnehmen, sind aus meiner Sicht nicht gemeinnützig. Wer Frauen ausschließt, sollte keine Steuervorteile haben und Spendenquittungen ausstellen“, sagte Scholz der „Bild am Sonntag“. Aber auch reine Frauenvereine wären betroffen.

Bei Ehrenamtlichen aus Vereinen der Region stoßen die Pläne von Scholz auf heftige Kritik. Im Stadtbund von Straelen handhabt jede der zehn darin versammelten Bruderschaften es nach ihrer Façon, wie Stadtbundmeister Winfried Schoenmackers berichtet. Nach seinen Angaben nehmen zwei Bruderschaften seit Jahrzehnten Frauen als Mitglieder auf, eine weitere ermöglicht eine Frauenmitgliedschaft. „Jedem Verein bleibt selbst überlassen, wen er aufnimmt“, so der Stadtbundmeister. Anhand der Ablehnung eines Geschlechts die Gemeinnützigkeit in Zweifel zu ziehen, hält Schoenmackers für gewagt und nicht nachvollziehbar. „Das schadet dem Vereinsleben.“

In einer Vorstandssitzung des Stadtbundes in der nächsten Woche solle das Thema besprochen und sollen Meinungen ausgelotet werden. Schoenmackers hält den Entzug der Gemeinnützigkeit für existenzgefährdend. „Falls Spenden zurückgehen oder ganz wegfallen, könnten die Bruderschaften ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen.“ Geld- und Sachspenden zusammengerechnet, würden nach seiner Schätzung etwa 20 Prozent der Einnahmen wegfallen. Allerdings rechnet der Stadtbundmeister nicht damit, dass der Finanzminister seine Drohung auch wahr macht. „Nicht bei dem Gegenwind, den er von allen Seiten bekommt.“

Vereine, die gemeinnützig sind, haben vor allem steuerliche Vorteile. Sie sind von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit und müssen keine Grund-, Erbschafts- oder Schenkungssteuer zahlen. Insbesondere für Einnahmen wie Mitgliedsbeiträge, Spenden, Erbschaften oder Zuschüsse gilt diese Befreiung. Und nur wenn der Verein als gemeinnützig anerkannt ist, können Unterstützer ihre Spenden von der Steuer absetzen.

Bei der Vereinigten Gelinter Bruderschaft in Wachtendonk war die Öffnung für Frauen schon vor Jahren ein Thema. „Wir hatten bei den Fahnenschwenkern Mädchen, die mit 16 dann nicht übernommen werden konnten. Deshalb haben wir entschieden, dass Frauen dort mitmachen dürfen“, erinnert sich Präsident Bernd Trienekens. „Wir bekommen da jetzt also kein Problem. Spenden finanzierten bei dieser Bruderschaft kürzlich den Kauf eines neuen Luftgewehrs. Den Vorstoß des Bundesfinanzministers hält der Wachtendonker für populistisch und an der Sache vorbei gehend. „Wenn jemand ein Schützenfest organisiert, ist das eine gute Sache für alle, egal, wer dahinter steht.“

Ähnlich wie beim Rotary-Club Geldern war die Aufnahme von Frauen auch im Gelderner Kiwanis-Club lange ein höchst umstrittenes Thema. Das ist in den beiden Service-Clubs mittlerweile vorbei, in beiden Clubs sind auch Frauen aktiv. Trotzdem hat Dr. Andreas Rehder, der gerade das Präsidentenamt im Kiwanis-Club übernommen hat, eine klare Meinung zum Scholz-Vorstoß. Verfassungsrechtlich sei der Vorschlag höchst problematisch, so der Rechtsanwalt. Die Tatsache allein, dass sich ein Verein nur für ein Geschlecht öffnet, sei noch keine Diskriminierung. Es gehe um historische gewachsene Strukturen. Gerade die betroffenen Vereine seien oft Stützen der Gesellschaft. Ihnen nun Steuervorteile zu verweigern, sei auch aus Sicht der Vereinsfreiheit problematisch. Politisch fällt das Urteil von Rehder noch deutlicher aus: „Das ist völliger Unfug.“

Auf die Seite der betroffenen gemeinnützigen Vereine stellte sich NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU). „Frauen- und Männervereinen Steuervorteile zu streichen, ist das falsche Signal an das Ehrenamt“, sagte er. „Die Pläne von Minister Olaf Scholz greifen massiv in traditionsreiche ehrenamtliche Strukturen ein, vornehmlich dort, wo der gesellschaftliche Zusammenhalt besonders gut funktioniert. Ich gehe davon aus, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion das verhindert.“

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