Notdienst-Versorgung „Wir werden auch in Zukunft kein Kind abweisen“

Geldern · Umstrittene Notdienst-Regelung im Kreis Kleve: Gelderner Chefarzt betont, dass junge Patienten weiterhin ins St.-Clemens-Hospital kommen können.

 Eltern können sich mit ihren Kindern weiter an das Hospital in Geldern wenden.

Eltern können sich mit ihren Kindern weiter an das Hospital in Geldern wenden.

Foto: St.-Clemens-Hospital

Wie berichtet, stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ab Juli ihren Notdienst um. Abends, an Wochenenden und Feiertagen können Patientinnen und Patienten zentrale Notdienstpraxen aufsuchen. Um weite Wege zu verhindern, gibt es gleich zwei Standorte: im St.-Clemens-Hospital Geldern und im Katholischen Karl-Leisner-Klinikum Kleve. Von der Regelung ausgenommen sind Kinder. Für sie ist das Versorgungsangebot auf Kleve beschränkt. Karsten Thiel, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche im St.-Clemens-Hospital Geldern, sieht diese Entscheidung kritisch.

Was raten Sie Eltern aus dem Südkreis, deren Kinder außerhalb der Sprechzeiten ihres Kinderarztes erkranken?

 Karsten Thiel kann die Eltern im Südkreis beruhigen.

Karsten Thiel kann die Eltern im Südkreis beruhigen.

Foto: St.-Clemens-Hospital/Gerhard Seybert

Karsten Thiel Wenn wir es rein formal betrachten, gibt es nur zwei Handlungsoptionen: In lebensbedrohlichen Notfällen ist das Krankenhaus zuständig, bei Erkrankungen, deretwegen man normalerweise den behandelnden Kinderarzt aufsucht, der KV-Notdienst. So sieht es die Verordnung vor. Ich weiß aber auch, dass Familien mit akut erkrankten Kindern und Jugendlichen einem großen Druck ausgesetzt sind. Sie machen sich Sorgen und wünschen sich schnellstmöglich Hilfe. In dieser Situation ins Auto zu steigen, um je nach Wohnort an Geldern vorbei mehr als 50 Kilometer bis Kleve zu fahren, geht aus meiner Sicht an der Realität und den Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Eltern vorbei. Deshalb sagen wir ganz klar: Wir werden kein Kind abweisen.

Sie werden also auch weiterhin im Notfall Kinder versorgen?

Thiel Natürlich, daran ändern wir nichts. Schon heute ist es gelebter Alltag, dass Eltern außerhalb der Praxiszeiten zu uns ins Krankenhaus kommen. Wir kümmern uns um jedes Kind, und zwar aus Überzeugung. Für uns ist das allerdings ein Zuschussgeschäft, das wir nur deshalb anbieten, weil die gute Versorgung der Kinder für uns Herzenssache ist.

Wie kam es überhaupt zu der Entscheidung, die pädiatrische KV-Notfallversorgung auf den Standort Kleve zu beschränken?

Thiel Das Grundübel ist wohl die Unterversorgung mit Kinderärzten in unserer Region. Diese wenigen Ärzte sind nicht nur durch die Regelversorgung aller Kinder und Jugendlichen bereits extrem belastet. Sie müssen außerdem noch die Notdienste der KV übernehmen. Bei zwei Standorten wären das logischerweise doppelt so viele Dienste wie an einem. Im Klartext heißt das: Die 19 Pädiater müssten bei einer Zwei-Standort-Lösung etwa zwölf Zusatzdienste pro Jahr übernehmen. Die knapp 200 hausärztlich tätigen Mediziner sind maximal dreimal im Jahr für den KV-Notdienst im Einsatz. Gleiches gilt für die Kosten der Notfallpraxen, die von der KV auf die Ärzte umgelegt werden. Diese Belastung würde bei den Kinderärzten so hoch ausfallen, dass die erwarteten Einnahmen die Kosten nicht decken können. Deshalb haben die Kinderärzte der KV ein Angebot unterbreitet: Wir beschränken den Kindernotdienst auf die Monate, in denen der Bedarf erfahrungsgemäß hoch ist, also auf den Herbst und den Winter. So könnte eine kostendeckende Arbeit bei zwei Standorten möglich sein, die Belastung des einzelnen Arztes bleibt tragbar. In den übrigen Monaten übernehmen die Krankenhäuser die Versorgung. Hierbei hätten wir unsere niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich gerne unterstützt. Diese Lösung hat die KV abgelehnt. Das Ergebnis kennen Sie.

Sie hätten sich das anders gewünscht?

Thiel Ja, sicher. Ich halte den Vorschlag der Kinderärzte für die Zwei-Standort-Lösung im Herbst und Winter nach wie vor für eine gute Möglichkeit, allen gerecht zu werden: Den Familien mit den akut erkrankten Kindern und Jugendlichen, den Kinder- und Jugendärzten aus dem Kreis und letztendlich auch uns Krankenhäusern. Leider ließ sich das nicht durchsetzen, also müssen wir uns auf die konzentrieren, die für uns im Mittelpunkt stehen: unsere Patienten. Deshalb betone ich noch einmal: Wir werden jedes Kind medizinisch versorgen, das zu uns kommt. Der Notdienst im St.-Clemens-Hospital steht wie immer weiterhin an 365 Tagen im Jahr für alle Kinder und Jugendlichen zur Verfügung. Darauf können sich die Menschen im Südkreis auch in Zukunft verlassen.

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