Mensch & Stadt: Serie Gelderns Ortsbürgermeister Im Salsa-Schritt durchs Dorfleben

Serie | Walbeck · Nach dem Tod seines Vaters schlüpft Patrick Simon in die Rolle des Ortsbürgermeisters in Walbeck. Erst haderte er mit sich. Mittlerweile macht es ihm aber großen Spaß. Seine politische Karriere hat er gegen Hobbys eingetauscht.

 Auch wenn man es ihm nicht unbedingt ansieht, ist Patrick Simon ein leidenschaftlicher Salsa-Tänzer.

Auch wenn man es ihm nicht unbedingt ansieht, ist Patrick Simon ein leidenschaftlicher Salsa-Tänzer.

Foto: Stadt Geldern

Der Mann hat echt viele Hobbys: geht in die Oper, tanzt seit Jahren Salsa Cubana, interessiert sich für die arabische Kultur, und er angelt. Patrick Simon, 42, unverheiratet, keine Kinder, hat den Vispas, also den niederländischen Angelschein. Wenn er Abstand braucht und Ruhe, fährt er schnell mal über die Grenze und verbringt die Nächte an der Maas oder am Leukermeer. Sitzt am Lagerfeuer, schläft im Zelt und wirft seine Köder aus. Mit ein bisschen Glück, sagt er, bringt er seiner Freundin einen leckeren Barsch, Hecht oder Karpfen mit nach Hause, den er selbst zubereitet. Ach ja, Kochen gehört ebenfalls zu seinen Hobbys.

„Angeln“, sagt Simon, „ist ein Geduldsspiel.“ 14 Jahre lang saß er für die CDU im Rat der Stadt Geldern. 18 Jahre war er Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Walbeck, fünf Jahre Vorsitzender vom Ausschuss zur Entwicklung des Niers­parks. Geduld ist eine von Simons Stärken. Es gab Zeiten, da verbrachte er – neben seiner Arbeit als Verwaltungsfachwirt in der Nachbargemeinde Wachtendonk – drei Abende pro Woche in irgendwelchen Ausschüssen. „Da war Angeln ein guter Ausgleich.“ Draußen sein. In der Natur. Stellenweise ohne Handy­empfang. Nur er und die Fische. „Da hat man viel Zeit, um über alles nachzudenken.“

Geboren wurde Simon in Essen. Als er anderthalb ist, ziehen seine Eltern aus dem Pott raus aufs Land. Der Vater ist Elektrosteiger, arbeitet im Bergbau. Die Mutter ist in der Modebranche tätig. Sie träumen von einem Einfamilienhaus im Grünen. Nicht irgendwo, sondern in Walbeck, im Spargeldorf. Das weiße Gold hat sich bis ins Ruhrgebiet herumgesprochen. Heute wohnt Simon gleich gegenüber von Spargelkönig Allofs.

„Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mein Vater Anfang der 80er Jahre einen Tennisclub in Walbeck gegründet hat und wie die damaligen Ratsmitglieder und der Ortsvorsteher sich bei uns daheim die Klinke in die Hand gegeben haben. Es wurde diskutiert, verhandelt und Informationen ausgetauscht“, sagt Simon. Die Neugier ist geweckt. Mit 20 tritt er in die CDU ein, wird mit 21 der damals jüngste CDU-Vorsitzende. „So stand es jedenfalls in der Zeitung“, sagt er. Er habe mit vielen Leuten gesprochen, um sie davon zu überzeugen, in die CDU einzutreten. Auch mit seinem Vater, der wegen seiner Bergbau-Vergangenheit lange für einen „Sozi“ gehalten wurde. „An einem meiner Geburtstage, ich weiß nicht mehr genau an welchem, hat er dann endlich die Beitrittserklärung unterschrieben.“

2009 wird der Vater Ortsbürgermeister von Walbeck. „Nach zehn Jahren wollte er den Job an den Nagel hängen, fand aber keinen Nachfolger.“ Im Februar vergangenen Jahres stirbt Udo Simon plötzlich und erwartet vier Wochen vor seinem 72. Geburtstag. „Als Michael Cools zu mir kam, um mir im Namen der CDU Walbeck sein Beileid auszusprechen, unterhielten wir uns auch darüber, wie es wäre, die Amtszeit von meinem Vater zu Ende zu machen. Es standen ja einige Termine an, bei denen die Ortschaft Walbeck Unterstützung gebraucht hätte, wenn Corona nicht dazwischengekommen wäre.“

Eigentlich, sagt Simon, habe er den Job nie machen wollen, schon aus Zeitgründen nicht. „Aber ich hatte sofort Riesenspaß und konnte sogleich mit dem Heimat- und Verkehrsverein eine neue Trauerhalle auf den Weg bringen.“ Aber Ratsmitglied und Ortsbürgermeister zur gleichen Zeit, das war zu viel. Eine Entscheidung musste her. Ob er sie beim Angeln getroffen hat, glaubt er zwar nicht, aber wer weiß. Jedenfalls habe er sich dazu entschieden, seine politische Karriere vorerst zu beenden. Als Ortsbürgermeister hat er ja noch einen Fuß in der Tür. „Früher habe ich gedacht, man müsste Rentner sein, um das Amt auszuüben“, sagt Simon, „aber das stimmt nicht. Man muss sich nur seine Zeit besser einteilen.“ Sein Vater habe den Geburtstagskindern im Dorf immer schon am Vormittag gratuliert, so gegen 11 Uhr. „Ich schiebe die Termine in den Nachmittag nach Feierabend. Das mögen manche im ersten Moment ungewöhnlich finden. Anderseits: Wenn ich wieder in den Rat gewählt worden wäre, hätte ich sie aufs Wochenende vertrösten müssen. Und das wollte ich nicht.“

Was er an seinem Ort schätzt? Die Gemeinschaft, den Zusammenhalt. „Wenn man andere so reden hört, heißt es oft, dass in Walbeck die Uhren etwas anders ticken“, erzählt Simon. „Bei uns werden keine Gehwege zugeparkt oder so. Man kennt sich, man hilft sich.“ Besonders jetzt, in der Corona-Krise, sei das viel wert. Alle großen Veranstaltungen musste der Ort für dieses Jahr absagen, darunter auch das beliebte Schützenfest. Es ist schon das zweite Mal. „Das ist natürlich hart. Andererseits gibt es niemanden, der quengelt oder Forderungen stellt. Niemand möchte dafür verantwortlich sein, dass sich andere anstecken.“ Darauf sei er mächtig stolz, sagt er.

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