Agrobusiness prägt das Gelderland Orchideen werden mit Bananen gefüttert

Walbeck · Viele Pflanzen beginnen ihr Leben heutzutage nicht mehr bei einem Gärtner, sondern in einem Labor.

 Während der Wachstumszeit werden die Gewebekulturen mit sterilen Pinzetten mehrfach aussortiert und in neue Nährlösungen umgesetzt.

Während der Wachstumszeit werden die Gewebekulturen mit sterilen Pinzetten mehrfach aussortiert und in neue Nährlösungen umgesetzt.

Foto: ja/Vivia Pellens

Viele Pflanzen beginnen ihr Leben heutzutage nicht mehr bei einem Gärtner, sondern in einem Labor. Dazu gehören Orchideen, Azaleen, Flieder, Stauden, Gräser und viele andere Arten. Mit „künstlichem Leben“ hat das aber nichts zu tun. Vielmehr kann man den Pflanzen im Labor optimale Bedingungen bieten, ohne Einfluss von Schädlingen. So ist die Erfolgsquote der Vermehrung höher, es müssen weniger Pflanzen weggeworfen werden.

Bremkens Orchids aus Walbeck beispielsweise ist ein großer Gartenbaubetrieb, dessen 155 Mitarbeiter pro Jahr rund 15 Millionen Orchideen pikieren, großziehen und in alle Welt verschicken. Die Setzlinge produziert das Unternehmen dennoch nicht selbst, denn eine Spezialisierung ist erfolgreicher. Die Setzlinge kommen unter anderem aus dem Labor „Orchideen Lucke“ in Neukirchen-Vluyn.

Ein Labor erwartet man zunächst nicht bei Orchideen Lucke. Mitten zwischen Feldern steht ein älterer Flachbau. Links ein Verkaufsbereich mit blühenden Orchideen, mittig eine verwinkelte Halle mit Arbeitstischen, rechts flache Gewächshäuser. „Wir sind auch noch eine klassische Orchideengärtnerei“, erklärt Inhaber Jörg Frehsonke. „Fast jeder Orchideengärtner hatte früher sein eigenes Labor, doch das hat sich in den letzten 25 Jahren sehr gewandelt.“ Es entstanden reine Labore einerseits und Aufzuchtbetriebe wie Bremkens andererseits. Ochideen Lucke macht noch beides: Raritäten in Eigenvermehrung für den internationalen Versand. Und Jungpflanzenvermehrung für andere Orchideenbetriebe im Labor.

Geldern: Orchideen werden gefüttert
Foto: ja/Vivia Pellens

„Labor“ heißt in diesem Fall aber nicht brodelnde Flüssigkeiten in Glaskolben. Es geht in erster Linie um Sauberkeit. Deshalb werden zunächst die Schuhe gewechselt, dann erst darf der gekachelte Raum betreten werden. Mittlere Wohnzimmergröße, angenehme 20 bis 22 Grad. Rechts stehen drei Labortische, über denen die Luft keimfrei gehalten wird wie im OP. Der Grund dafür steht in Holzregalen: verschlossene Reagenzgläser und Kunststoffbecher, mit Nährlösung und verschieden großen Pflanzen bestückt. Kämen hier Keime mit hinein, wären die winzigen Pflanzenabschnitte sofort verdorben.

„Wir vermehren durch Gewebekultur und durch Samen“, erklärt Jörg Frehsonke. Er zeigt ein Reagenzglas, in dem tausende Samen aufbewahrt sind: Man sieht nur Staub, so klein sind sie. Um neue Sorten zu finden, braucht es Samen. Um eine bewährte Sorte weiterzuvermehren, nutzt man Gewebekulturen, also kleinste Abschnitte von so genannten Mutterpflanzen. Während der Wachstumszeit werden sie mehrfach aussortiert und in neue Nährlösungen umgesetzt. Das machen die Mitarbeiter an den Arbeitstischen mit Pinzetten. „Es ist alles Handarbeit, da geht nichts maschinell“, erklärt Frehsonke. Das eigentlich Spannende an der Arbeit sind die Nährlösungen. In jedem der sechs bis acht Wachstumsstadium bekommt eine Pflanze ein anderes. Die Inhaltsstoffe passend zusammenzustellen ist das Geheimnis. „Zucker, Vitamine, Agar-Agar als Geliermittel“, zählt Frehsonke einige auf. „Und Fruchtzusätze“, geht es überraschend weiter. „Manche Labore nutzen Bananen, andere Möhren. Und jede Orchideenart reagiert anders auf die Nährstoffe.“ Was Sorte eins gefällt, stört Sorte zwei beim Wachstum. Frehsonke forscht daher ständig weiter. Nach anderthalb Jahren befinden sich in den kleinen Kunststoffschalen gut bewurzelte Jung-Orchideen, die an die Kunden verschickt werden. Etwa eine halbe Million Pflanzen produziert das Labor pro Jahr. Ein Teil davon geht zu Bremkens Orchids nach Walbeck. Und wird nach weiteren zwei Jahren Pflege endlich blühen.

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