Finanzierungslücke Flüchtling ist mittellos durch Ausbildung

Geldern · Weil er eine Ausbildung begonnen hat, bekommt Ali Almoamari kein Geld mehr aus den früher zuständigen Kassen. Ihm steht anderweitig Unterstützung zu, aber bis die bewilligt ist, dauert es. Die Stadt Geldern bietet Gespräche an.

 Ali Almoamari an seinem Schreibtisch, an dem er für die Arbeit lernt. Von seinem Ausbildungsbetrieb erfährt er sehr große Unterstützung.

Ali Almoamari an seinem Schreibtisch, an dem er für die Arbeit lernt. Von seinem Ausbildungsbetrieb erfährt er sehr große Unterstützung.

Foto: Zehrfeld

Ali Almoamari ist gerade 19 Jahre alt geworden. Er ist Ende 2015 als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland gekommen und lebt in Geldern. Im August hat er eine Ausbildung begonnen beim Dentallabor Hetjens in Walbeck. Wie er die Arbeit findet? „Super“, sagt er. „Die Mitarbeiter sind supernett, und mein Chef Manfred Hetjens auch.“ Nur leider kann er seit dem Start der Ausbildung sein Leben praktisch nicht mehr finanzieren.

Vor dem Job bekam er Geld nach dem „Asylbewerberleistungsgesetz“, angelehnt an den Hartz-IV-Satz, erklärt Flüchtlingshelferin Hanneke Hellmann, die ihm zur Seite steht. „In dem Asylbewerberleistungsgesetz ist aber keine ,Berufsausbildungsbeihilfe’ vorgesehen. Die muss extra beantragt werden. Das haben wir im August gemacht“, führt sie aus. Früher vor Ausbildungsbeginn geht das nicht. Und bis heute gibt es keine Zahlungen: „Bis das bewilligt wird, dauert es drei bis fünf Monate.“

Das Kindergeld wurde ebenfalls ausgesetzt: Der Fall wird in Karlsruhe bearbeitet. Drei Mal habe die dortige Behörde seit August neue Papiere nachgefordert, erzählt Hanneke Hellmann. Am 30. November trudelte dann unverhofft eine Kindergeld-Nachzahlung für zwei Monate ein.

 Hanneke Hellmann mit Papierkram in der Wohnung von Ali Almoamari.

Hanneke Hellmann mit Papierkram in der Wohnung von Ali Almoamari.

Foto: Zehrfeld

Generell wird Ali Almoamari alles, was ihm zusteht, später nachgezahlt – „aber ich muss doch jetzt leben“, sagt er. Und dafür langt es nun mal nicht. Seine Ausbildungsvergütung liegt bei netto 411 Euro, das reicht nicht mal für die Miete. Dazu bekommt er „ergänzende Sozialhilfe“ von rund 250 Euro.

Er muss sich Geld borgen. Seine Vermieterin gewährte ihm Aufschub. Zur Berufsschule muss er mit dem Zug nach Düsseldorf: „Die ersten Male habe ich das vorgestreckt, sonst wäre er da gar nicht hingekommen“, sagt Hanneke Hellmann. Er wollte sich einen Wochenendjob suchen, um dazuzuverdienen, aber das Geld würde dann von seiner Unterstützung abgezogen.

Der Staat und die Stadt hätten ihm sehr geholfen, betont Ali Almoamari. Aber die Situation jetzt ist für ihn frustrierend: „Ich habe die Ausbildung angefangen, damit ich nicht mehr abhängig bin von der Stadt. Aber jetzt ist das Gegenteil der Fall“, erklärt er. „Ich bin ja dafür, dass ich Steuern bezahle, dass ich meine Miete selber bezahle.“ Stattdessen fühlt er sich abhängiger denn je.

Das Problem sei weithin bekannt, sagt Hanneke Hellmann. „Wir wollen doch, dass Leute in Arbeit kommen. Und dass denen das Leben so schwer gemacht wird, das kann doch nicht sein“, meint sie. Sie sieht die Stadt Geldern in der Pflicht: „Die Stadt müsste eigentlich einspringen.“

In der Stadtverwaltung kann man sich den Fall auch gar nicht erklären: Tatsächlich geht das städtische Sozialamt nämlich in Vorleistung, wenn notwendige Zahlungen anderer Behörden sich verzögern. „Grundsätzlich sichern wir den Lebensunterhalt“, bestätigt Sprecher Herbert van Stephoudt. Die Sache ist demnach ein Rätsel: „Nach unseren Unterlagen müsste alles ausgezahlt sein.“ Hanneke Hellmann widerspricht: Sie habe alle Unterlagen im Blick; das sei schlicht und ergreifend nicht der Fall. Die Stadt hat nun angeboten, sich mit dem jungen Mann und Hanneke Hellmann zusammensetzen, um zu klären, an welcher Stelle es gehakt haben könnte.

Unterdessen bekommt Ali Almoamari ganz viel Unterstützung von seinem Arbeitgeber. Die Firma übernimmt alle Kosten, die für die Ausbildung anfallen: Das Monatsticket für den Weg zur Berufsschule gehört dazu, Bücher und Hefte auch. Vor allem aber sind die Kollegen für ihn Mutmacher. „Manchmal habe ich daran gedacht, die Ausbildung abzubrechen“, sagt er. „Aber in der Firma sind sie so nett. Das war so ein Glück für mich.“

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