Gelderns Bürgermeister Sven Kaiser im Interview „Da musste man mal Nerven beweisen“

Geldern · Der Verwaltungschef zu Schulentwicklung, Hausärztezentrum, Kapuzinerkirche und seiner eigenen Zukunft.

 Gelderns Bürgermeister Sven Kaiser im Interview mit RP-Redakteurin Sina Zehrfeld.

Gelderns Bürgermeister Sven Kaiser im Interview mit RP-Redakteurin Sina Zehrfeld.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Eine Wegstrecke ist geschafft in den Rathäusern: Die Bürgermeister haben über die Hälfte ihrer Amtszeit rum. Für Sven Kaiser in Geldern war es eine Zeit mit vielen Feuerproben.

Ziemlich viel war in Geldern ziemlich schwierig. Schulentwicklung, marode städtische Gebäude, knappes Personal im Rathaus. Macht Bürgermeister sein da immer noch Spaß?

Sven Kaiser Ja, sehr sogar. Ich weiß nicht, ob es viel abwechslungsreichere Tätigkeiten gibt. Man hat jeden Tag mit neuen Dingen zu tun, man kann eine Menge gestalten und entscheidet auch eine Menge.

Sie haben gesagt, Sie wollten mehr Bürgernähe aufbauen. Fühlen sich die Leute heute mehr ,gehört’ als früher?

Kaiser Ja, aber ich glaube, da können wir noch besser werden. Wir sagen bei Projekten zwar, jeder kann in den Ausschuss kommen. Aber damit erreichen wir einfach nicht so viele Leute. Wenn wir zu einem Workshop einladen, gibt es das Problem, dass immer wieder ein ähnlicher Personenkreis kommt. Wir haben versucht, mit Facebook eine andere Öffentlichkeit anzusprechen. Aber bei großen Planungsprojekten – da müssen wir einfach mehr ‚raus’. Eine Idee ist: Wir gehen freitags auf den Markt, da ist relativ viel Publikum, bauen einen Verwaltungsstand auf, stellen unsere Projekte vor. Das wollen wir wenn möglich noch im September oder Oktober machen.

Das Thema Gesamtschule war dramatisch: Erst das Ringen um die Genehmigung. Dann muss die Sekundarschule auslaufen, obwohl die Politik das nicht will, und Realschulklassen müssen umziehen. War das eine Ihrer schwierigsten Etappen?

Kaiser Da musste man als Bürgermeister mal Nerven beweisen. Es war für mich eine Zeit, in der habe ich nicht so gut geschlafen. Ich habe mich oft gefragt: Ist der Weg, den wir hier gehen, wirklich der richtige? Am Ende weiß man aufgrund der Anmeldezahlen: Okay, die Entscheidung war zwar schmerzlich für viele. Aber sie war von vielen auch gewünscht.

Die halbe Stadt war in Aufruhr. Was hätte man besser machen können?

Kaiser Die Frage habe ich mir natürlich auch gestellt. Manche haben uns vorgeworfen, dass wir als Schulträger die Gesamtschule schnell durchdrücken wollten. Aber ich sehe es so: Noch länger warten hätte für viele noch mehr Unsicherheit bedeutet. Und wenn wir die Eltern noch mehr, noch besser informiert hätten – sie wären trotzdem genau so betroffen gewesen. An der grundsätzlichen Entscheidung hätte es nichts geändert. Die Realschule wird verlegt an den Westwall, die Sekundarschule läuft aus, das kann man nicht schönreden. Das ist für die betroffenen Eltern und Schüler schlimm. Aber die Entscheidung, das ist meine Meinung, musste getroffen werden. Da mussten wir jetzt einfach mal durch.

Für ein Hausärztezentrum im alten Finanzamt am Mühlenturm gibt es jetzt eine breite politische Mehrheit. Vor Ihrer Wahl 2015 waren Sie und die CDU aber noch dagegen. Was hat Ihre Meinung geändert?

Kaiser Ich wollte nicht, dass ein Hausärztezentrum gegründet wird und wie ein Magnet auf die Hausärzte in den Ortschaften wirkt. Aber ich habe mit vielen Ärzten gesprochen, auch darüber, was es inzwischen bedeutet, eine Praxis zu betreiben. Und ich bin in Kontakt mit Kollegen aus anderen Kommunen. Ich glaube: Es ist wichtig, dass wir in Zukunft überhaupt Ärzte hier halten können.

Geldern hatte wechselnde Klimaschutzmanagerinnen und Flüchtlingskoordinatorinnen. Die Stadt hat eine Bau-GmbH gegründet in der Hoffnung, leichter Mitarbeiter zu gewinnen. Irgendwie ist es schwierig mit dem Personal in der Verwaltung, oder?

Kaiser Nein, das sehe ich nicht so. Dass Leute, die befristete Stellen haben – das betrifft die Klimaschutzmanagerinnen – uns verlassen, wenn sie anderswo etwas Unbefristetes bekommen, ist nachvollziehbar. Und wenn ich einen Architekten oder Bauingenieur suche – da ist der Markt einfach leer, und eine GmbH kann anders bezahlen. Wir haben zwar auch Leute aus unbefristeten Stellen an andere Kommunen verloren, aber umgekehrt kommen welche zu uns, weil sie in der Region wohnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nicht so ist, dass Leute die Verwaltung verlassen, weil sie hier unzufrieden sind. Das wird sich aber zeigen: Wir haben eine Mitarbeiterumfrage gestartet. Die Ergebnisse kommen im Oktober. Ich bin gespannt darauf. Wir werden das dann auch offen vorstellen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten ,Baustellen’ in Geldern?

Kaiser Wir haben die Projektgruppe Schulbausanierung. Das ist ein Riesen-Baustein. Wir müssen an der Gesamtschule bauen, wir müssen den Westwall komplett sanieren, wir haben den riesigen Sanierungsstau an beiden Gymnasien, wir haben an zwei Grundschulen Raum- und Sanierungsbedarf. Das wird uns die nächsten Jahre begleiten, und wir werden der Politik einige Entscheidungen abverlangen müssen.

Wie teuer wird das für Geldern?

Kaiser Wir liegen auf jeden Fall im mittleren zweistelligen Millionenbereich.

Wie sieht es aus mit der Kapuzinerkirche?

Kaiser (seufzt) Ich kann keinem Privaten gestatten, dort ein Kolumbarium zu eröffnen, weil die Unwägbarkeiten und Risiken für die Stadt zu groß wären.

Bisher ist aus keinem Plan für die Kirche etwas geworden. Müssen Sie nicht irgendwann sagen: Wir als Stadt und ich als Bürgermeister haben da keine Handhabe?

Kaiser Genau. Wir haben so viele Gespräche gehabt, so viele Ideen. Wir kommen nicht weiter.

Treten Sie 2020 wieder an?

Kaiser Selbstverständlich.

Wenn Sie zurückblicken: Worauf sind Sie stolz?

Kaiser Darauf, dass wir die Sache mit dem alten Finanzamt letztendlich doch noch geschaukelt haben. Das Projekt ist mir wichtig, und das bringt richtig was für die Innenstadt. Stolz bin ich auch darauf, dass wir es geschafft haben, Unimicron in Geldern zu halten. Und darauf, dass unser Winterevent ,Heiß auf Eis’ bei den Menschen so gut ankommt.

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