Seniorenbeirat in Geldern Furcht vor Wohnungsnot im Alter

Geldern · Der Seniorenbeirat hat gefragt: Wie schafft man bezahlbaren Wohnraum für Senioren? Die Antworten der Fraktionen und karitativen Vereine kamen nur spärlich.

 Bezahlbares Wohnen im Alter drängt immer stärker auf die Agenda. Die Prognose für Geldern lautet: Für Senioren wird es in Zukunft immer schwieriger, eine erschwingliche Wohnung zu finden.

Bezahlbares Wohnen im Alter drängt immer stärker auf die Agenda. Die Prognose für Geldern lautet: Für Senioren wird es in Zukunft immer schwieriger, eine erschwingliche Wohnung zu finden.

Foto: imago/imagebroker/imageBROKER/Jan Tepass

Ein ganz konkretes Beispiel brachte Dieter Schade vom Seniorenbeirat an. Es beschreibt die Situation einer Bekannten: „Sie bekommt 1200 Euro Rente, für ihre 60 Quadratmeter große Wohnung zahlt sie 500 Euro Miete, 100 Euro gehen für Strom, TV und so weiter drauf“, sagt Schade. „Es bleiben: 600 Euro zum Leben, jeden Monat.“

Das reicht, sagen die einen, für andere ist es viel zu wenig. Einig sind sich alle Anwesenden bei der Diskussionsrunde des Seniorenbeirats: Derzeit mag die Situation in Geldern noch tragbar sein, doch in Zukunft wird es für Senioren immer schwieriger werden, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

„Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht“, sagt Schade. „Doch das Thema spielt in der Politik kaum eine Rolle.“ Im Gelderner Rat habe man bereits über bezahlbaren Wohnraum gesprochen, an konkreten Planungen oder gar einer Umsetzung hadere es aber noch.

Harald Schoelen, Professor an der Hochschule Niederrhein, hat eine Studie zu diesem Thema erarbeitet. Seine Fragestellung: Wer sind die Menschen, die bezahlbaren Wohnraum besonders benötigen? Seine Antwort: „Es sind vor allem Menschen, die von Armut bedroht sind.“ Dazu gehören Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Senioren.

Ihre größte Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt sind die sogenannten „Dinkis“ – eine Abkürzung für „Double Income No Kids“, also kinderlose Paare mit doppeltem Einkommen. „Für Vermieter und Investoren ist das die beliebteste Zielgruppe“, sagt Schoelen. Darum bräuchte man sozialen Wohnraum für alle, die durch das Raster fallen.

 Seniorenbeirat diskutiert über bezahlbaren Wohnraum für Senioren

Seniorenbeirat diskutiert über bezahlbaren Wohnraum für Senioren

Foto: Tobias Kleinebrahm

In Geldern solle es nach Ansicht des Professors nicht das Ziel sein, an den Rändern große Gebäude mit günstigem Wohnraum zu bauen. „So schafft man Brennpunkte“, sagt Schoelen. „Man braucht soziales Wohnen integriert in der Innenstadt.“

Ein ähnliches Bild zeichnet Joachim Wolff, Geschäftsführer der Diakonie im Kirchenkreis Kleve. „Wir beobachten mit großer Sorge, dass das Angebot an kleineren Wohneinheiten und an preisgünstigen Wohnungen im Kreis Kleve unzureichend sind.“ Man müsse den wenigen preisgünstigen Wohnraum in guter Qualität erhalten und neuen – insbesondere öffentlich geförderten – Wohnraum schaffen.

Einen runden Tisch für das Thema „kommunales Wohnraumkonzept“ hatte die Arbeitsgemeinschaft angedacht. Ein erstes Gespräch mit dem Landrat habe es bereits gegeben. „Das Ergebnis war ernüchternd“, sagt Wolff. „Ein runder Tisch ist nicht zustande gekommen. Die Begründung: Wohnraum ist kein kommunales Thema, sondern Sache des freien Marktes.“

Einig waren sich alle, dass es angemessene Mieten brauche und mehr sozialen Wohnungsbau. Konkrete Vorschläge kamen allerdings nur tröpfelnd. Ein Haustausch wurde besprochen: Senioren, die ihr altes, zu groß gewordenes Haus aufgeben wollen, könnten mit jungen Familien die Wohnung tauschen. Es wurde diskutiert, bei Neubaugebieten der Wohngsgenossenschaft Geldern (GWS), einen gewissen Anteil Mietwohnungen bereit zu stellen, einen Anteil günstigen Wohnraum und auch Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger. „Es reicht nicht, bezahlbare Wohnungen zu haben, sondern man braucht auch Zugriff auf die Belegung, wie es im klassischen Sozialbau der Fall ist“, sagte Wieland Fischer von den Grünen-Fraktion im Stadtrat.

Doris Keuck von der SPD-Fraktion machte zudem den Vorschlag, Investoren beim Verkauf von Grundstücken mit einem niedrigeren Preis zu belohnen, wenn er dort auch sozialen Wohnraum baut. All diese Ideen seien im Rat abgelehnt worden, an neuen Vorschlägen mangelte es bei der Diskussionsrunde aus Reihen der Politik und Wohlfahrtsverbände. Von Seiten der Verwaltung versicherten Beigeordnete Petra Berges und Wirtschaftsförderer Tim van Hees-Clanzett, dass das Thema nicht stagniere und man kontinuierlich an Lösungen arbeite.

Joachim Wolff von der Diakonie betonte: „Die Politik muss sofort anfangen.“ Der Bau von Häusern mit sozialem Wohnraum dauere Jahre, man dürfe nicht zu viel Zeit verstreichen lassen. „Sonst lösen wir das Thema nicht in absehbarer Zeit.“

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