Geldern Flüchtlings-Brüder finden in Geldern ein Zuhause

Geldern · Der Schweiß rinnt Shoaib Ahmad über die Stirn, als er das Sofa durch das Treppenhaus wuchtet. Hinein in die Wohnung, um die Ecke durch den Flur ins künftige Wohnzimmer. Hell ist es, freundlich, 70 Quadratmeter mit kleinem Balkon.

 Glücklich über den Einzug: Karlheinz Quinders, Karsten Teeuwen, Frank Gellrich, Hanneke Hellmann, Piero Kirchhofer und Shoaib Ahmad (v.l.).

Glücklich über den Einzug: Karlheinz Quinders, Karsten Teeuwen, Frank Gellrich, Hanneke Hellmann, Piero Kirchhofer und Shoaib Ahmad (v.l.).

Foto: seybert

Shoaib Ahmad, 23, hätte nie geglaubt, dass er in Deutschland einmal sein eigenes Zuhause würde beziehen können. "Die Wohnung ist wunderschön, perfekt", sagt er ein wenig schüchtern. Um ihn herum steht eine Traube Menschen, die alle etwas für ihn und seinen 13 Jahre alten Bruder Omid haben: eine ganze Küche, einen Herd, Fernseher, Waschmaschine, Möbel, Tische, Stühle, Betten — alles für die Einrichtung der Wohnung.

Innerhalb von vier Wochen ist für die beiden Brüder aus Afghanistan eine Menge passiert. Wenige Tage vor Weihnachten lebten die Flüchtlinge noch im Asylbewerberheim, ihr Vater war in Afghanistan von Taliban ermordet worden, und sie waren auf der Suche nach einer Heimat. "Kinderunwürdig", nannte Hanneken Hellmann vom Jugendamt die Umstände, unter denen die beiden in dem Heim lebten.

Nach einem Bericht in der Rheinischen Post begann eine Welle der Hilfsbereitschaft, die gestern dazu führte, dass Shoaib Ahmad den ersten Mietvertrag seines Lebens unterschrieb. "Ich hatte den Bericht in der Zeitung gelesen und habe sofort an diese Wohnung gedacht. In meiner Familie gibt es auch ein Flüchtlingsschicksal", sagte Vermieter Frank Gellrich. Er informierte seinen Makler Heinz Teeuwen von der Absicht. Vor neun Tagen kam es dann zur Wohnungsbesichtigung, und einen Tag später kam die Zusage. Am Samstag feierten sie zusammen mit Hanneken Hellmann; endlich die ersehnte Wohnung.

Was noch fehlte, waren Möbel. Darum kümmerte sich die Mutter eines Klassenkameraden von Omid. Sie durchkämmte Kleinanzeigen, schrieb Firmen an und sammelte Spende um Spende. Und gestern, rechtzeitig zum Einzug, war der Hausstand komplett. "Wir hätten sogar noch mehr haben können", verriet Hellmann. "Ich bin einfach nur glücklich", sagte Shoaib Ahmad, der auch Vormund für seinen kleinen Bruder ist, leise. "Als ich nach Deutschland gekommen bin hätte ich nie gedacht, dass so viele Menschen einem helfen würden." Jetzt fehlt nur noch eines: die Anerkennung als politischer Flüchtling. Dann darf er endlich auch arbeiten.

(RP)
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