Europäisches Übersetzerkollegium Straelen Meghans Biografie füllt die Nacht

Straelen · Drei Monate arbeitet Heike Holtsch als „Translator in Residence“ in Straelen. Sie hat sich ins Europäische Übersetzer-Kollegium englische Märchen und Rittersagen und eine internationale Krimi-Serie zum Übersetzen mitgenommen.

 Heike Holtsch ist die aktuelle „Translator in Residence“ in Straelen. Kurz vor der royalen Hochzeit übersetzte sie mit einem Team die Meghan-Biografie.

Heike Holtsch ist die aktuelle „Translator in Residence“ in Straelen. Kurz vor der royalen Hochzeit übersetzte sie mit einem Team die Meghan-Biografie.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Ins schattige Gärtchen hat sich Heike Holtsch zurückgezogen. Es ist nicht so, dass sie einfach die Ruhe genießen will, vielmehr ist sie drei Monate zu Gast im Europäischen Übersetzerkollegium (EÜK) in Straelen, um zu arbeiten. Sie ist die aktuelle „Translator in Residence“ (TIR). Das sei ihr eine besondere Ehre, sagt die Wuppertalerin, „weil man sich darauf nicht bewerben kann, sondern berufen wird“. Sie übersetzt aus dem Englischen, aus dem Spanischen könnte sie auch, aber weil Englisch einfach viel mehr auf dem Markt sei, hat sie sich dafür entschieden.

Im Ohr hat sie die englische Sprache von Jugend an. „Der beste Freund meines Vaters ist Engländer. Sie haben sich mit 17 Jahren auf einem Zeltplatz kennengelernt. Jetzt sind beide über 80 und immer noch Freunde“, sagt die Übersetzerin.

Über England und seine Geschichte hat sie während ihrer jüngsten großen Aufgabe jede Menge erfahren. Das Buch in ihren Händen hielt ein siebenköpfiges Übersetzerteam auf Trab. Für die Übersetzung von Meghan Markles Biografie, geschrieben von Andrew Morton, der schon die bekannte Diana-Biografie schrieb, hatten die Übersetzer nur eine Woche Zeit. Die Wuppertalerin zuckt mit den Schultern, die durchgearbeiteten Nächte sind fast vergessen. „Die beiden hatten ihre Verlobung relativ spät bekannt gegeben, und das Buch musste noch vor der Hochzeit fertig werden“, erklärt sie den enormen Zeitdruck. „Es hat einen Riesenspaß gemacht“, lautet das Fazit der Wuppertalerin. „Uns ist der Prinz Harry total ans Herz gewachsen.“ Sein Engagement für die Kriegsversehrten hat sie beeindruckt. Meghan Markle lächelt ihr vom Buchcover entgegen. Das Projekt ist abgeschlossen.

Für ihre Zeit als „Translator in Residence“ hat sie sich englische Märchen und Rittersagen eingepackt. Sie hat sich bewusst für ein Werk aus dem Kölner Anaconda-Verlag entschieden. „Die Kunststiftung NRW fördert die TIR, da wollte ich auch einen Verlag aus NRW haben.“ Und sie wollte gerne etwas, das man auch vorlesen kann. Die von Flora Annie Steel gesammelten Märchen und Rittersagen erfüllen gleich beide Wünsche.

Es gibt eigentlich kein Genre, dass sie nicht übersetzt. „Ich betrachte das Übersetzen als Handwerk, nicht als kreative Kunst. Ich muss mit allem umgehen können“, lautet ihre Devise. Sie hat Literaturübersetzen an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf studiert. Das war das zweite Studium der Sprachwissenschaftlerin. „Ich kann kein Buch normal lesen“, gibt sie lachend zu. Denn dafür hat sie einfach zu viel Hintergrundwissen, wenn sie die Buchseiten aufschlägt und kritisch betrachtet. „Man sieht aber auch die guten Seiten“, gibt sie zu, zum Beispiel, ob ein Buch gut lektoriert ist. Viele Stationen muss ein Buch durchlaufen, bis es perfekt beim Leser landet.

Auf ihrem Nachtisch liegt übrigens oft ein Krimi. Auch wenn sie als Übersetzerin den ganzen Tag mit Buchstaben zu tun hat, lässt sie sich das private Lesevergnügen nicht nehmen. Obwohl, zuletzt habe dort noch die Datenschutzverordnung gelegen. Die Übersetzerin hat eine eigene Webseite und gibt Seminare, deswegen musste sie sich auch damit beschäftigen. Bei den Büchern des EÜK wurde sie aber fündig für eine neue Nachtlektüre. Sie hat sich für John Donne entschieden. „Sehr humorvolle, bissige Gedichte“, beschreibt sie seinen Stil.

Ihren 56. Geburtstag feierte sie dann gleich auch noch in Straelen statt zu Hause und kochte für ihre internationalen Mitbewohner. Die Gastfreundlichkeit liegt ihr im Blut. Fünf Jahre hat sie auf den Kanarischen Inseln gelebt, erst eine Sprachschule besucht, dann als Reiseleiterin gearbeitet und dann ein Café geleitet. Das komme ihr nun im EÜK zugute, sagt sie lachend. Und weil sie auf so viele Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern in dem Haus an der Kuhstraße in Straelen trifft, hat sie sich als weiteres Projekt noch eine internationale Krimiserie zum Übersetzen mitgenommen. New York, Portland, Prag: Sollte sie Fragen zu den Schauplätzen haben, fragt sie in die große Übersetzerrunde. Denn auch eine richtig gute Recherche, und nicht nur das Transferieren in eine andere Sprache, machen ein gut übersetztes Buch aus. In dem kleinen Garten des EÜK gibt es nicht nur genügend Schatten, um für die Arbeit einen kühlen Kopf zu bewahren, sondern auch die nötige Ruhe, um die Gedanken kreisen zu lassen.

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