Kampf um Zusatzklasse am Lise-Meitner-Gymnasium Eltern entsetzt über den Schulbeschluss

28 Elternvertreter von Grundschulen der Region bitten Bürgermeister Sven Kaiser, „für die Interessen der Kinder weiter zu kämpfen“. Ein Vater setzt derweil sogar auf ein Bürgerbegehren.

 Der von SPD und Grünen vorgeschlagene Ratsbeschluss verhindert, dass am Lise-Meitner-Gymnasium eine zusätzliche Klasse eingerichtet wird, um so allen Kindern des Besuch der Wunschschule zu ermöglichen.

Der von SPD und Grünen vorgeschlagene Ratsbeschluss verhindert, dass am Lise-Meitner-Gymnasium eine zusätzliche Klasse eingerichtet wird, um so allen Kindern des Besuch der Wunschschule zu ermöglichen.

Foto: moew

„Mit Entsetzen“ (so wörtlich) reagieren die Eltern zukünftiger Fünftklässler an den beiden Gelderner Gymnasien auf die Nachricht, dass der Rat in geheimer Abstimmung auf Antrag von SPD und Grünen die Einrichtung einer Mehrklasse am Lise-Meitner-Gymnasium (LMG) abgelehnt hat. 28 Elternvertreter nicht nur der Gelderner Grundschulen, sondern auch aus den umliegenden Kommunen, bitten Bürgermeister Sven Kaiser in einem offenen Brief, „zusammen für die Interessen unserer Kinder weiter zu kämpfen und in Ihrer Position als Bürgermeister alle im Rahmen Ihrer Möglichkeiten stehenden Maßnahmen zu ergreifen, mit dem Ziel, in diesem Jahr eine Mehrklasse am LMG zu realisieren.“ Am besten sollte Kaiser umgehend dem Ratsbeschluss widersprechen, da die Entscheidung das Wohl der Kinder gefährde. Einen anderen Weg geht Michael Holstein. Er hat am Montag bereits die Stadt Geldern darüber informiert, dass er wegen des Ratsbeschluss ein Bürgerbegehren anstrengen will.

Holstein gehört zu den betroffenen Eltern, hat sein Kind für das Lise-Meitner-Gymnasium angemeldet. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte er, er habe das Gefühl, dass die Politiker „persönliche Befindlichkeiten auf dem Rücken der Kinder austragen“. Eine kurzfristige Korrektur wäre ihm zwar lieber als der Weg des Bürgerbegehrens, aber man müsse jetzt schnell Druck aufbauen. So kurz vor den Ferien und auch mit Blick auf die Corona-Lage habe er kein Verständnis für die Entscheidung.

Aus Sicht der Elternvertreter hat die Entscheidung „dramatische negative Auswirkungen auf den Schulbetrieb der zukünftigen Klasse 5“. Sie verweisen auf die Corona-Krise. Die Kinder hätten mehr als ein Drittel weniger regulären Unterricht erhalten als üblich. Die dadurch entstehenden Defizite könnten von den Grundschulen bis zum Schuljahresende bei weiterhin massiv reduziertem Präsenzunterricht nicht vollständig aufgearbeitet werden. Die Kinder würden in diesem Jahr mit noch stärkeren Leistungsunterschieden zur weiterführenden Schule wechseln, als es in anderen Jahren der Fall ist. Die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler könnten im kommenden Schuljahr nur durch eine intensive individuelle Förderung aufgearbeitet werden. Die Lehrer stünden aber gleichzeitig unter dem Druck, unter erschwerten Bedingungen auch den Unterrichtsstoff des 5. Schuljahres zu vermitteln. All dies sei nur in kleinen Klassen möglich. Das werde bei vielfach zu kleinen Klassenräumen in Klassen mit 31 Schülern schlichtweg unmöglich sein. Die Entscheidung bedeute, dass Kinder aus Kevelaer und Straelen am LMG abgelehnt werden müssen. Am Lise-Meitner-Gymnasium würden zudem Kinder ausgelost und zum Friedrich-Spee-Gymnasium geschickt. Für die Familien, deren Kinder am LMG angemeldet sind, heißt das, dass sie bangen müssen, ob die Kinder an der Wunschschule angenommen werden. Für die Gesamtsituation in Geldern heiße das, „dass die Gesamtschule durch diesen Beschluss keinen einzigen Schüler mehr bekommen und das Ziel der Entscheidung – den Erfolg der Gesamtschule zu sichern – komplett verfehlt wird.“ Der Rat nehme dies alles in Kauf, obwohl man die Chance gehabt hätte, eine pädagogisch sinnvolle Entscheidung (vier kleinere Klassen am LMG) zu treffen und alle personellen und räumlichen Voraussetzungen gegeben seien, um ohne Zusatzkosten eine weitere Klasse einzurichten.

Die Eltern betonen, das Konzept der Gesamtschule zu unterstützen. Man wisse aus eigener Erfahrung nur zu gut, dass Kinder sich sehr unterschiedlich entwickeln und eine Prognose in der vierten Klasse häufig schwierig ist. „Wir wünschen uns, dass die Gesamtschule erfolgreich ist, weil wir wissen, dass sie ein wichtiger Bestandteil der Gelderner Schullandschaft ist und die Lehrerinnen und Lehrer dort gute Arbeit leisten. Aber wir wünschen uns auch einen fairen Wettbewerb, in dem die Wünsche der Familien berücksichtigt werden. Und wir wünschen uns, dass man unvoreingenommen und auf Grundlage der aktuellen und zukünftigen Schülerzahlen und nicht auf dem Rücken unserer Kinder schulpolitische Entscheidungen fällt“, heißt es.

Aus Sicht der Elternsprecher ist zur Beantragung einer Mehrklasse kein formeller Ratsbeschluss notwendig. Man sollte prüfen, inwiefern der Ratsbeschluss für die Stadt als Schulträger überhaupt rechtlich bindend ist. Sven Kaiser, der sich als Unterstützer der Elterninteressen hervorgetan habe, sollte weiter kämpfen und bei der Bezirksregierung die Bildung einer Mehrklasse beantragen oder aktiv alle Möglichkeiten der Realisierung einer Mehrklasse ausloten. Nicole Beekmann (St.-Adelheid-Grundschule, Geldern) und Michael Doebler (Mariengrundschule, Kapellen) als Gesamt­elternsprecher der 4. Klassen: „In der gegenwärtigen Situation darf es für Sie keine Option sein, sich hinter der Entscheidung des Rats zu verstecken, die in ihrer Aussagekraft uneindeutiger nicht sein könnte.“

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