Geldern Ein "neuer Kontinent" im Mühlenturm

Geldern · Tong Mo aus Peking lebt als Teilnehmerin des Programms "Residenz Niederrhein" derzeit in Geldern. Am 9. Juli präsentiert sie, wie sie das Thema "Geschenk ohne Empfänger" literarisch aufbereitet hat.

Der erste Eindruck, den Tong Mo von Geldern hatte? "Ich habe viele ältere Menschen getroffen", erzählt die Frau aus Peking. Deutschland altere, genau wie ihr Heimatland China. Eine Tatsache, die Tong Mo künstlerisch verarbeitet - als Teilnehmerin des Projekts "Residenz Niederrhein". Das ist ein von der Europäischen Union und vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördertes Künstler-Residenzprogramm, das Taifun-Projekt aus Düsseldorf in Kooperation mit regionalen kulturellen Institutionen startete. Die "eigene" Kultur im Spiegel der Anderen - das ist die Kernidee.

Seit Ende April wohnt Tong Mo zu diesem Zweck bei Klaus Bögel in Lüllingen. Die Wahl sei auf Geldern gefallen, weil das Projekt vom Rathaus gut unterstützt worden sei, erklärt die 32-Jährige. Zwei Aktionen bereitet sie vor. Die erste geht am 29. Juni im Weltkunstzimmer in Düsseldorf über die Bühne. Das Thema lautet "Ein Geschenk ohne Empfänger. Wie schreibt man über den Verlust geteilter Bedeutung?" In diesem Themenkreis bewegt sich auch die zweite Aktion, die am Montag, 9. Juli, ab 19 Uhr im Gelderner Mühlenturm stattfindet.

"Ich will eine Kurzgeschichte hier beenden", kündigt die Autorin an, die sich zum ersten Mal in Deutschland aufhält. Dafür hat sie mit Geldernern gesprochen, wollte wissen, was ihnen wichtig ist, und hat ihre Beobachtungen gemacht. Auch ein syrischer Bildhauer zählte zu ihren Gesprächspartnern. Bei ihm ging es unter anderem um die Situation eines jungen Flüchtlings, um die asiatische Sichtweise auf Europa, um die Unterschiede zwischen Islam und Christentum, um die Bedeutung von Kirche in den Gesellschaften. "Die abnehmende Bedeutung der Religionen scheint global zu sein", urteilt die Frau, die in eine christliche Familien hineingeboren wurde und sich Tong Mo als Künstlernamen zugelegt hat.

Viel Material hat Tong Mo gesammelt und daraus eine Story gemacht, deren erster Entwurf länger wurde als geplant. "Ein neuer Kontinent" ist der Titel. Einer ihrer Protagonisten ist Fritz Kox. Der Gelderner Heimatdichter starb vor nicht allzu langer Zeit betagt. Zweite Hauptfigur ist eine junge Geflüchtete, die ihr Gedächtnis verloren hat, im Altenheim arbeitet und auf der Suche nach ihrem Vater ist. "Das Mädchen und der alte Mann wollen sich etwas schenken", schlägt Tong Mo den Bogen zu ihrem Oberthema. "Doch die Kommunikation misslingt, es gibt kein Happy End."

Sie will diese Geschichte als Metapher verstanden wissen für die Begegnung von Kulturen. Geschenke würden dabei als Zeichen von Respekt und Interesse ausgetauscht. Doch was passiert, wenn der Geschenk-Mechanismus nicht mehr funktioniert?

Zurzeit wird Tong Mos Geschichte übersetzt. Bei der Aktion am 9. Juli im Mühlenturm soll jeder Besucher die deutsch-chinesische Fassung mitnehmen können, außerdem wird der Text online gestellt. Klaus Bögel ist an diesem Abend auch dabei. Während Tong Mo ihren Text mit Google-Translator übersetzt, liest er die Übersetzung vor. "Mit allen Fehlern des Roboters", wie die Chinesin einräumt. Sie bringt den Text als Präsent mit. Bögel seinerseits sei als Künstler auch wie ein Therapeut tätig, baue Altäre, die wichtig seien für das Leben kranker Menschen. "Dieses Ritual gibt er an das Mädchen aus der Story weiter, als sein Geschenk an mich."

(RP)
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