Issum Ein gutes Datum für die Liebe

Issum · Der 13. August spielt im Leben von Rolf und Bärbel Pester eine wichtige Rolle. An diesem Tag schickte sie aus Karl-Marx-Stadt ein Telegramm nach Issum, das die Zusammenführung des Paars besiegelte.

Der 13. August ist für viele ein Tag traurigen Gedenkens. "Für uns aber ist es ein gutes Datum", sagt Rolf Pester. Denn an einem 13. August bekam der Issumer ein Telegramm, das er als kurz und umwerfend empfand. Es kam aus Karl-Marx-Stadt von "seiner" Bärbel, und die Nachricht bestand aus zwei Worten: "Ausreise da". Genau am zehnten Jahrestag des Mauerbaus waren die beiden Verlobten sich sicher, dass aus ihnen ein Ehepaar werden könnte.

Liebe in Flöha

Ein Liebespaar waren Rolf Pester und Bärbel Geißler schon lange. Als Teenager lernten sie sich im sächsischen Flöha in der Schule kennen. Doch es wurde eine Fernbeziehung, als er 1958 in den Westen ging, nach Geldern. Erst 1964 sahen sich beide in Ungarn wieder. "Mein Vater hatte einen Arbeitskollegen, dessen Vater Ungar war. So kam ich an die Einladung", beschreibt Bärbel Geißler die Fahrt in das längst nicht für jeden DDR-Bürger erlaubte Land. Pester deklarierte seinen Ungarn-Aufenthalt als Campingurlaub, damit er nicht in einer Gruppe reisen musste.

Die zehn Tage trauter Zweisamkeit festigten die Bande – und führten in den Folgejahren zu beharrlichen Versuchen, für die Verlobte die Ausreisegenehmigung in den Westen zu bekommen.

"Wegen Verheiratung", wie Bärbel Geißler im Oktober 1966 gegenüber dem Ministerium des Innern angab. In Karl-Marx-Stadt wurde sie immer wieder vorstellig. "Ich wollte nie illegal weg und habe mich nie abwimmeln lassen", erinnert sich die heute 69-Jährige. Dabei verwies sie auch auf "Verzugserlaubnisse" für Personen aus dem Bekanntenkreis. Ob es denn in der DDR Bürger mit Vorrechten gebe, fragte sie unerschrocken.

Der zweite Weg, auf denen die Pesters ihre Zusammenführung erreichen wollten, hatte laut Rolf Pester mit Bonner Geheimdiplomatie zu tun. "Zu Weihnachten 1962 wurden die ersten Gefangenen freigekauft", berichtet der 70-Jährige. Auf Um- und Schleichwegen gelangten die beiden Liebenden 1967 an die Adressen von Jürgen Stange in West- sowie Wolfgang Vogel in Ost-Berlin, den Männern für die Freikaufverhandlungen. Die Pesters hakten nach, wurden ein ums andere Mal vertröstet. "Das war auch abhängig von der politischen Großwetterlage", glaubt der Issumer.

Postkarte des Rates

Am 9. August 1971 erhielt Bärbel Geißler eine Postkarte vom Rat des Stadtbezirks Mitte-Nord Karl-Marx-Stadt zwecks "Aussprache über Ihren Verzug". Personalausweis und Lichtbild sollte sie mitbringen. "Da wusste ich, da tut sich was."

Nachdem sie vier Tage später, an einem Freitag, im Zimmer 25 war, schickte sie ihrem Rolf das Telegramm und gönnte sich dann ein Bier.

Dass sich das Paar nach einer nochmaligen Verschiebung erst am 17. September auf dem Duisburger Hauptbahnhof in die Arme fiel, spielte da kaum noch eine Rolle.

(RP)
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