Verschwundene Orte (11) Die Ziegelei am ehemaligen Kampfplatz

Geldern · Zu Haus Grotelaers gehörte in der Vergangenheit eine Ziegelfabrik. Produziert wurde dort bis kurz nach 1900. Zugleich darf der Ort als geschichtsträchtig eingestuft werden. Von dieser Stelle aus wurde vor mehr als 300 Jahren Geldern beschossen.

 So sah sie aus, die Ziegelei, die zu Haus Grotelaers gehörte und die mitten im Feld zwischen Geldern und Vernum stand. Das Foto stammt von 1900. Kurz danach ist die Ziegelfabrik abgebaut worden.

So sah sie aus, die Ziegelei, die zu Haus Grotelaers gehörte und die mitten im Feld zwischen Geldern und Vernum stand. Das Foto stammt von 1900. Kurz danach ist die Ziegelfabrik abgebaut worden.

Foto: Familie von Salomon

Auf den ersten Blick ist nichts mehr zu erkennen. Auf den zweiten auch nicht. "Man kann sich kaum vorstellen, dass keine Spuren mehr in der Landschaft zu sehen sind", sagt der Gelderner Geschichtsexperte Heinz Bosch. Auf die alte Ziegelei in Vernum angesprochen, muss er schwer durchatmen. Viel gibt es zunächst nicht dazu.

Der Hartefelder Johannes Kisters hatte den Stein ins Rollen gebracht. Er weiß ganz genau, wo die alte Ziegelfabrik gestanden hat. Von Geldern kommend auf die Duisburger Straße abbiegend, liegt auf der rechten Seite ein Haus, das wie ein kleines Schlösschen aussieht. In der Nähe steht eine große Weide und die Michaelskapelle. An der Stelle hat die Ziegelei gestanden. Das ist schon über 100 Jahre her, aber es existiert sogar ein Foto von der alten Ziegelfabrik. Die gehörte zum Haus Grotelaers der Familie von Salomon. "Es existieren auch Baupläne von der Ziegelei", sagt Michael von Salomon. Eine Groß-Groß-Tante der Familie hatte aus wirtschaftlichen Gründen damals die Ziegelei errichtet. Das Haus des Ziegelmeisters existiert noch heute. Es ist das schlossartig anmutende Gebäude. Der Ziegelmeister habe unter anderem die Aufgabe gehabt, Kunden zu werben, bei den Menschen nachzufragen, ob und wo gebaut wird, erklärt Heinz Bosch. "Gearbeitet wurde nicht ganzjährig. Die Arbeit in der Ziegelei war Saisonarbeit", sagt der Gelderner. Die Hauptsaison war im Sommer, wenn von schönem Wetter auszugehen war.

"Die Arbeiter haben für die Ziegelherstellung Lehm in Formen gepresst", erklärt Johannes Kisters die Vorgehensweise. "Dann wurde der Ziegel aus der Form gekippt und zum Trocknen auf ein Regal gelegt." Gebrannt wurden die Ziegel später in einem einfachen Feldbrandofen. Das war schon ein Fortschritt. Denn ganz früher gab es die "Sonnenbäcker". Die Steine wurden nur in der Sonne getrocknet. Aber sie waren längst nicht so haltbar wie nach dem Brennen in einem Ofen. Dadurch, dass die Ziegel mit der Hand geformt wurden, waren sie natürlich nicht so millimetergenau wie heute", gibt Kisters zu Bedenken. Er vermutet, das die Ziegelei aufgrund fehlender Maschinen zu unrentabel wurde. Sie verschwand wohl vor gut 100 Jahren, kurz nach dem Entstehen des Fotos.

Aber das ist längst nicht alles, was es über den ehemaligen Standort der Ziegelei zu erzählen gibt. Der Ort ist geschichtsträchtig. "Von der gleichen Stelle aus ist Geldern 1703 beschossen worden", gibt Johannes Kisters sein Wissen preis. Alte Kupferstichzeichnungen belegen das. "Attaque de Hartenfeldt" steht in damaliger Schreibweise darüber. "1703 fand die Belagerung Gelderns durch die Preußen statt", klärt Heinz Bosch auf. Geldern befand sich in einem Erbfolgenkrieg. Vom freien Feld bei Vernum wurde auf Geldern scharf geschossen. Ziel war es, die spanische Besatzung mürbe zu machen. Ob es an der taktisch guten Stellung bei Vernum lag oder an den Waffen: Sicher ist, ab 1703 wurde Geldern preußisch. Die spanischen Besatzer hatten das Nachsehen. Offiziell wurde das mit dem Frieden von Utrecht 1713.

Es lohnt sich, mit offenen Augen durchs Gelderland zu fahren. An jeder Ecke können sich spannende Geschichten abgespielt haben. Wo keine Spuren mehr sind, da helfen Menschen weiter, die sich erinnern, wie es früher gewesen ist.

(bimo)
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