Nachbarn helfen Nachbarn Heronger Hilfe zieht größere Kreise

Die „Nachbarschaftschallenge“ hat mittlerweile die Grenzen der Ortschaft überschritten. Die Broekhuysener sind mit von der Partie. Weitere Aktionen sind geplant. In Kerken hat sich eine Einkaufshilfe gebildet.

 Ob Einkäufe erledigen, den Hund Gassi führen oder Waren liefern: Annemarie Fleuth, Gabriele Böhm, Astrid Peters und Marion Azam (v.l.) finden die Nachbarschaftsaktion gut.

Ob Einkäufe erledigen, den Hund Gassi führen oder Waren liefern: Annemarie Fleuth, Gabriele Böhm, Astrid Peters und Marion Azam (v.l.) finden die Nachbarschaftsaktion gut.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Der alte Mann konnte nicht genug kriegen. Gleich fünfmal las der 86-jährige Straelener den RP-Artikel über die Gründung der Nachbarschaftshilfe in Herongen. Um dann nach der intensiven Lektüre wieder aufs Feld zu gehen, er war „Salat am Machen“, wie er sich im schönsten Niederrheinisch ausdrückte.

Die Anekdote, die Gabriele Böhm erzählt, ist ein Hinweis darauf, dass die von ihr gestartete Initiative immer größere Kreise zieht. Wenige Tage nach dem Start am vergangenen Donnerstag zähle die Facebook-Seite bereits 110 Mitglieder, berichtete sie am Dienstag. Die komplette Gruppe „Wir sind Broekhuysen“ habe sich mittlerweile dort eingebracht. Viele Freiwillige haben sich telefonisch gemeldet und boten ihre Hilfe an, vor allem für das Gassigehen mit Hunden und für die Erledigung von Einkäufen. Das Ziel dabei: Gerade den Menschen, die zur Risikogruppe gehören, also Ältere und chronisch Kranke, soll ermöglicht werden, zu Hause zu bleiben.

Die Plattform „Nachbarschafts­challenge“ erfüllt dabei eine Doppelfunktion. Zum einen geht es darum, Hilfe zu organisieren. So haben sich laut Gabriele Böhm schon Mütter abgesprochen, um die Kinderbetreuung untereinander zu regeln. Bei den Einkäufen gab es erste Koordinationen, wer was für wen mitbringen kann. Daneben gibt es aber auch Tipps, wie man die häusliche Quarantäne gut bewältigen kann. Gabriele Böhm: „Da kann man die alten Gesellschaftsspiele wieder hervorholen. Oder die Lieder aus der ,Mundorgel’-Sammlung singen und spielen.“

„Das ist eine gute Idee“, beurteilt Marion Azam die Initiative. Sie denkt an ältere Hundebesitzer, die keinen Garten haben und froh sein dürften, wenn jemand das Tier ausführt. Auch Ortsvorsteherin Annemarie Fleuth lobt das Ganze und bringt sich selbst ein. „Ich halte Sprechstunden ab.“ Dabei geht es darum, am Telefon über Gott und die Welt zu reden, einfach mal zu „quasseln“, fast so wie bei einer Kaffee-Plauderrunde. Das sei auch ein wenig Ersatz für den Heronger Treff, der wie alle anderen Versammlungen wegen des Coronavirus bis auf Weiteres ausfallen muss.

Vorschläge hat sie auch, wie man während des „Hausarrests“ im heimischen Garten das schöne Wetter ausnutzen kann. Sie erinnert an Klassiker wie Schnitzeljagd oder Verstecken. Und sie will auf der Plattform Bilder posten mit Aktivitäten, die draußen möglich sind, ohne dass man anderen Leuten dabei auf die Pelle rücken muss. So kann man etwas für sein Wohlbefinden tun und dabei gleichzeitig die nicht erwünschten sozialen Kontakte auf Null herunterfahren.

Geschäfte und Gastronomen informieren auf der Plattform über ihren Lieferservice und über Öffnungszeiten, zum Beispiel die Metzgerei Trienekens, die Jacobs-Börse, das „Paradies“ oder der „Straelemann“. „Wir bringen unsere Blumen auch nach Straelen und Broekhuysen“, sagt Floristin Astrid Peters. Die neueste Hilfe hat Gabriele Böhm mit Marta Sommerkamp von der Markt-Apotheke in Straelen abgesprochen. Dort werden Arzneibestellungen laut Rezept auch telefonisch unter 02834 2600 angenommen und nach Herongen und Broekhuysen geliefert. Bei Lieferung kann man das Rezept dann dem Lieferdienst geben, Die Lieferung nach Hause ist kostenfrei. Für diejenigen, denen der Arzt auf telefonische Anfrage ein Rezept ausstellt und die das Rezept nicht abholen können, holt die Markt-Apotheke das Rezept beim Arzt ab und liefert die Medikamente nach Hause. Zahlungen sind möglich beim Boten, aber auch auf Rechnung.

Mit der Verteilung eines Flugblatts hofft Gabriele Böhm auf noch mehr Helfer. Der Flyer liegt bei Ärzten, in der Volksbank, beim Bäcker, beim Metzger und in der Post aus. „Unterstützen Sie Ihre Nachbarn! Hinterlassen Sie Ihnen Ihre Nachricht“, heißt es da. Abgedruckt sind Zettel, auf denen man seinen Namen und seine Telefonnummer notieren und sie mit dem jeweiligen Hilfsangebot beim Nachbarn einwerfen kann.

Das Vorbild Herongen hat jetzt Nachahmer gefunden. In Kerken ist eine Einkaufshilfen-Aktion für Ältere, Kranke und Alleinstehende gestartet. Wer hier Hilfe benötigt beziehungsweise leisten kann, sollte sich im katholischen Pfarrbüro von St. Dionysius unter Telefon 02833 576964-0 (auch Anrufbeantworter) melden oder im Pfarrbüro der evangelischen Kirchengemeinde unter Telefon 02833 2116 (beziehungsweise 0152 34201130, Pfarrerin Karin Latour).

 Briefe besorgen oder Einkäufe erledigen: Man kann viel helfen, meinen (v.l.) Marion Azam, Gabriele Böhm, Annemarie Fleuth und Astrid Peters.

Briefe besorgen oder Einkäufe erledigen: Man kann viel helfen, meinen (v.l.) Marion Azam, Gabriele Böhm, Annemarie Fleuth und Astrid Peters.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Anderswo wartet man noch sehnsüchtig auf ähnliche Initiativen. So meldete sich ein Senior aus Wankum in der Redaktion. „Ich zähle zu dem Personenkreis, der altersbedingt besonders gefährdet ist. Ich verlasse nicht meine Wohnung, bin daher auf fremde Hilfe angewiesen, die meine lebensnotwendigen Einkäufe tätigt.“ Vielleicht, so wünscht er sich, lasse sich so etwas auch in Wachtendonk-Wankum organisieren.

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