Schüler als Schauspieler Ein „facettenreicher“ Bühnenabend

Geldern · Die Schüler der in Sevelen ansässigen freien Gesamtschule präsentierten ihr Bühnenprojekt. In der Aula des Gelderner Lise-Meitner-Gymnasiums wurden schwierige Themen behandelt. Die Zuschauer waren gebannt.

 Das Theaterprojekt der „Facettenreich“-Schüler beeindruckte das Publikum in Geldern.

Das Theaterprojekt der „Facettenreich“-Schüler beeindruckte das Publikum in Geldern.

Foto: Norbert Prümen

Die Werkschau der freien Gesamtschule „Facettenreich“ war in Geldern zu bewundern. In der Aula des Lise-Meitner-Gymnasiums wurde ein zweistündiges Programm gezeigt, das unter der Überschrift: „Helden des Alltags brauchen keine Masken“ stand. Wer bei dem Titel an eine „Corona-kritische Auseinandersetzung“ mit den Alltagsmasken denkt, liegt daneben. Was da gezeigt wurde, ging viel tiefer und war viel intensiver als jede Dokumentation oder Diskussion, die man zu dem Thema Authentizität und Echtheit gesehen hat.

Die Schüler haben sich in zwei Wochen an die wichtigen Fragen des Lebens heran gewagt und ein Theaterstück daraus erarbeitet. Diese Fragen sollte sich jeder einmal in seinem Leben stellen und versuchen, so ehrlich wie möglich zu beantworten: „Wann und warum verstelle ich mich, wann bin ich echt, und wann habe ich Angst, mich mit meinem wahren Ich zu zeigen?“

Wenn wir Erwachsenen schon Schwierigkeiten haben, diese Fragen zu beantworten, dann haben diese Schüler hier eine tolle Leistung erbracht, die sich in jeder Sekunde des Stückes widerspiegelte. Das Publikum klebte nicht nur an den Lippen der jungen Darsteller, man sah auch einige Zuschauer, die leicht unruhig und betroffen auf den Sitzen hin und her rutschen. Ein Gänsehautmoment reihte sich an den anderen, und eine kurze Choreografie zeigte sich zwischen Körpererkundung und Körperwahrnehmung. Man hatte einen Kloß im Hals, wenn die Jugendlichen auf der Bühne, alle in Schwarz gekleidet, sich nicht finden, weil sich jeder unter einer Maske versteckt. Der Kloß im Hals wurde schwerer, als man sah, wie das Thema Geld auch Freundschaften beeinflusst, bei denen es doch angeblich keine Rolle spielen sollte. Man fühlte sich ertappt, wenn die Szene nachgestellt wird, wie die Eltern die Zukunft der Kinder schon verplant haben, denn der Sohn wird Arzt, so wie der Vater. Die Tochter studiert sowieso nicht, und was die Kinder möchten, wird einfach nicht abgefragt.

In der Pause war Durchatmen angesagt. Die Gäste standen zum Teil mit betroffenen Gesichtern da, und man hörte kaum ein Lachen. Christian und Silke Rump sind Eltern einer der „Schauspieler“, stehen in der Pause etwas abseits und schauen sich an. Wie fühlen Sie sich? „Es erinnert mich an die eigene Pubertät. Aber wir haben das nie so klar geäußert. Jetzt wird einem klar, die Maske fällt nie. Die Frage nach dem ,Wie geht’s?’ sieht man nun ganz anders. Manche Aussagen sind sehr erschreckend, ehrlich, ja heftig. Die Schule hat uns schon immer gesagt, dass dort nur danach geschaut wird, was für das Kind das Beste ist. Das ist gut und richtig so.“

Auch der zweite Teil nach der Pause verläuft nicht im Schonwaschgang. Da werden Themen angespielt, die auch die abgekämpften Eltern wohlwollend in den Blick nehmen. Allerdings kommen auch die Eltern nicht ohne Masken aus. Das spüren die Jugendlichen und fragen sich, warum man nicht einfach ohne die Masken leben kann. Warum es so schwer ist, einfach man selbst zu sein. Die Angst davor, dass die Anderen einen ohne die Maske nicht mögen, ist allgegenwärtig. Die Maske ist Schutz, Verzerrung und ein Abbild von dem, wie man vielleicht auch mal gerne wäre. Was alle eint, ist die Angst vor Ablehnung. Man spielt eine Figur, anstatt sie zu sein.

Mit tränenerstickter Stimme versucht am Ende des Stückes die Theaterpädagogin Tina Liehr, den Schülern zu danken. Sie ist unfassbar stolz auf die 31 Akteure.

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