Verschwundene Orte (4) Die Brauerei an der Langen Straße

Geldern · Fast ein Jahrhundert lang wurde in Kapellen Bier gebraut. Matthias Aengenheyster baute den Betrieb 1876 auf, sein Enkel wagte nach dem Zweiten Weltkrieg den Neuanfang. Beinahe hätte der Markenname "Aengenheyster Bier" überlebt.

Das Altbierdorf Issum ist durch seine Marke Diebels berühmt geworden, aber nahezu in Vergessenheit geraten ist die Tatsache, dass kaum fünf Kilometer nördlich auch eine Brauerei stand, die nahezu 100 Jahre Bestand hatte.

Zwei Jahre, bevor Josef Diebels 1878 in Issum die größte Altbierbrauerei Deutschlands gründete, wagte der Kapellener Matthias Aengenheyster bereits, unweit seines Elternhauses auf der Langen Straße eine Brauerei zu eröffnen. Aengenheyster baute das Wohnhaus mit angeschlossenem Betrieb aus dem nichts auf. Sein Urenkel Norbert Aengenheyster weiß, wie schwer der Anfang für seinen Vorfahren war: "Mein Urgroßvater hatte sich in der Nähe von Hamb ein Stückchen Land gekauft und dort Lehm abgegraben. Daraus brannte er die Steine für die Gebäude an der Langen Straße selbst."

Trotz der mühsamen Arbeit am Anfang florierte der Betrieb. Bald gab es sechs Festangestellte und ebensoviele Aushilfen. Schon in den Zwanziger Jahren wurden die Wirte mit einem Lastwagen beliefert. Im ganzen Kreis Kleve war Aengenheysters Bier im Ausschank, sei es nun Alt, Pils, Export oder Caramel, vergleichbar mit einer Art weniger süßem Malzgetränk.

Der Zweite Weltkrieg beendete die Betriebesamkeit der Aengenheyster-Brauerei. Und auch das Leben des Firmengründers. Im Alter von 98 Jahren kam er beim letzten Luftangriff auf Kapellen ums Leben, weil er sich nicht auf den Weg in den Luftschutzraum machen wollte. "Der Krieg ist doch fast vorbei, sie werden mich auch dieses Mal nicht kriegen", soll der altgediente Braumeister zu seiner Entschuldigung gesagt haben.

Sein Enkel, der ebenfalls Matthias Aengenheyster hieß, wagte es, 1947 aus den Trümmern wieder die Brauerei neu aufzubauen. "Eine der neuen Hallen", weiß Sohn Nobert Aengenheyster, "war die erste Nachkriegs-Hallenkonstruktion der Gelder Firma Opheis." Teile dieses Gebäudes wurden aus Stahlelementen der gesprengten Weseler Rheinbrücke gefertigt - Rohstoffe waren knapp.

Mit dem Aufkommen von Supermärkten und der zunehmenden Gewohnheit, das Bier nicht mehr nur in der Kneipe, sondern auch zuhause zu trinken, geriet die kleine Brauerei Aengenheyster in Schwierigkeiten. "Vater konnte die Preise, zu denen im Supermarkt Biere von überall her kamen, nicht halten." Und der große Konkurrent Diebels, der fast hundertmal mehr Bier ausstieß, drängte Aengenheyster zunehmend aus dem Markt. "Wirten wurde seitens Diebels angeboten, deren Zapf- und Kühlanlagen zu modernisieren, wenn sie bestimmte Mengen Diebels-Bier abnehmen. Das konnte Vater auch nicht bieten." Die Brauanlagen wurden 1970 an die bis 1980 existierende Büdericher Brauerei Hardering verkauft.

Dabei hätte der Markenname Aengenheyster vielleicht in die Gegenwart überlebt. Norbert Aengenheyster erinnert sich: "Diebels bot meinem Vater um 1965 an, bei ihnen als Braumeister zu arbeiten und sein Bier als Marke in Issum weiter zu brauen. Aber mein Vater wollte das nicht, er hätte dann ja seine hart erarbeitete Selbständigkeit aufgeben müssen."

Bis vor mehreren Jahren wurde von der Familie der Getränke-Großhandel aufrechterhalten, den Norbert Aengenheyster aber 2006 aufgab.

(buer)
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