Issum Deutsch für Flüchtlinge: Freiwillige sollen zahlen

Issum · 1,96 Euro pro Stunde Raumgebühr soll Michaela Hericks rückwirkend an die Gemeinde zahlen. Sie gibt mit anderen Ehrenamtlern Asylbewerbern Deutschunterricht in Räumen außerhalb der Schulzeit.

 1,96 Euro pro Stunde Raumgebühr soll Michaela Hericks rückwirkend an die Gemeinde zahlen. Für sie ein schlechter Karnevalsscherz.

1,96 Euro pro Stunde Raumgebühr soll Michaela Hericks rückwirkend an die Gemeinde zahlen. Für sie ein schlechter Karnevalsscherz.

Foto: Seybert

Als der Anruf kam, glaubte Michaela Hericks zunächst an einen verspäteten Karnevalsscherz. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Issums Hauptamtsleiter Johannes Elbers und verlangte von ihr 1,96 Euro pro Stunde für die Nutzung der Schulräume der Nikolausschule. Die Räume nutzen sie und andere Ehrenamtliche nach Schulschluss, um Asylbewerbern Deutschunterricht zu erteilen. Kostenlos versteht sich.

"Die Gebührenordnung für Vereine ist mir bekannt", sagt die Issumerin, die auch politisch aktiv ist. "Aber wir sind kein Verein", sagt sie über den Zusammenschluss von Ehrenamtlern. "Wir arbeiten alle unter dem ,Deckmantel' Arbeitskreis Asyl. Träger des Arbeitskreises sind die Kirchen, die Caritas und auch die Gemeindeverwaltung", erklärt Hericks. "Wir unterrichten doch auch im Auftrag der Verwaltung", stellt die Ehrenamtlerin klar.

Auf ihrer Internetseite wirbt die Gemeinde Issum sogar für das Ehrenamt im Bereich Flüchtlingsarbeit. Seit Oktober 2015 engagiert sich Hericks. Weil sie den Schlüssel zur Schule hat, ist sie für die Gemeinde Issum die Ansprechpartnerin. Ihr werde auch der Gebührenbescheid zugestellt, sagte ihr Elbers am Telefon. "Ich sollte mich selber darum kümmern, wo das Geld herkommt", zitiert Hericks den Hauptamtsleiter.

Die Entscheidung wirft Fragen auf. Dreimal pro Woche sind Hericks und die anderen Ehrenamtlichen je eine Stunde in der Nikolausschule. Rückwirkend für Januar soll sie zahlen. "Sollen wir jetzt von jedem Schüler pro Besuch zehn Cent kassieren?", fragt sie sich und hat da ihre Skrupel. "Die Asylbewerber können von uns keinen qualifizierten Unterricht erwarten, für den sie zahlen sollen", erklärt Hericks. "Wir sind nicht dafür ausgebildet, versuchen aber nach bestem Wissen und Gewissen, mit Händen und Füßen und ganz viel Herzblut die ersten Kenntnisse zu vermitteln." Die Dankbarkeit und der Ehrgeiz und Fleiß der "Schüler" rechtfertige auch allemal den Zeitaufwand.

Das Fragenkarussell dreht sich weiter. "Wer verbucht die Einnahmen? Muss ich ein Gewerbe anmelden, um die Einnahmen zu verbuchen oder einen Verein gründen?" will Hericks wissen. Außerdem seien die Kurse zwar von 17 bis 18 Uhr, aber nicht immer enden sie pünktlich. Wie würde das abgerechnet?

Um die Fragen zu klären, rief Hericks bei der Gemeindeverwaltung an. Dabei erlebte sie einen weiteren Rückschlag bei der Unterstützung fürs Ehrenamt. Statt mit dem passenden Ansprechpartner wurde sie mit dem Friedhofsamt verbunden, landete dann wieder in der Zentrale, wurde weiterverbunden. "Es klingelte sehr lange, eine männliche Stimme meldete sich gereizt", erinnert sich Hericks an ihren Versuch, die Sache mit der Gebühr auf kurzem Telefonweg zu klären. Schlussendlich schrieb sie eine E-Mail an die Mitarbeiter der Verwaltung mit Bitte um Prüfung und Rückruf. "Jetzt warte ich gespannt, was früher kommt, der Gebührenbescheid oder der Anruf", sagt die Issumerin.

Auf Anfrage der Redaktion meldete sich gestern der Bürgermeister. "Die Benutzerordnung der Gemeinde sieht diese Gebühr für jeden vor. Auch die Awo, die dort ehrenamtlich arbeitet, zahlt 1,96 Euro pro Stunde", so Clemens Brüx. Außerdem wundere er sich, dass Michaela Hericks sich beklage, obwohl die Entscheidung für die Gebühr doch getroffen wurde, als sie selbst im Rat saß. "Trotzdem arbeiten wir an einer Alternative für diese Gruppe", so Brüx, der so gerne die Kuh ohne Streit vom Eis holen möchte.

(RP)
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