Heronger Männerchor „Westmark“ singt ein letztes Mal

Herongen · Der Quartettverein muss aufgeben: Nach 57 Jahren löst sich der Männerchor aus Herongen zum Ende des Jahres auf. Von ehemals 40 Mitgliedern sind nur noch sieben übrig geblieben – und Nachwuchs ist nicht in Sicht.

Im Jahr 1961, in dem sich der Männerchor „Westmark“ gründete, wurde die Berliner Mauer gebaut, John F. Kennedy wurde Präsident der USA, und Juri Gagarin bereiste als erster Mensch den Weltraum. 57 Jahre ist das alles her, und für die Sänger von „Westmark“ war die Gründung ihres Chors wohl ebenso bedeutend wie das Weltgeschehen. Friedhelm Stockfleit ist ein Jahr nach der Gründung beigetreten und singt heute noch in dem Chor. Allerdings nur noch bis Ende des Jahres. Denn dann löst sich „Westmark“ gezwungenermaßen auf.

„Es hat sich schon im Laufe des Jahres abgezeichnet, dass wir aufhören müssen“, sagt der Vorsitzende des Quartettvereins, Günther Janssen. „Wir sind seit etwa zwei Jahren nicht mehr singfähig.“ Zu seinen besten Zeiten hätten mehr als 40 Männer in dem Chor gesungen. Vor zwei Jahren waren es nur noch 14. „Immerhin waren die Stimmen so gleichmäßig besetzt, dass es gereicht hat“, sagt Janssen.

Plötzlich hätten aber fünf Leute den Verein verlassen – Belastung im Beruf, Probleme mit der Gesundheit, mangelndes Interesse waren die Gründe. Und zum Ende dieses Jahres wollen zwei weitere Sänger von den verbliebenen Neun aufhören. Es sei nicht nur ein finanzielles Problem, sagt Janssen, aber mit sieben Leuten könne man keinen Chorleiter bezahlen.

„Wir haben wirklich alles versucht“, sagt Sänger Friedhelm Stockfleit, der seit 56 Jahren dabei ist. „Aber unsere Bemühungen haben nicht gefruchtet.“ Modernes Liedgut habe man eingebracht, „The Lion sleeps tonight“ oder „Banana Boat“ von Harry Belafonte. Zu Weihnachten singen sie auch „Jingle Bells“ und „Feliz Navidad“. „Moderne Musik, Gospel, das ist die Entwicklung für Chöre, die wird wohl vorerst auch bleiben.“ Mit Volksliedern, wie sie bei „Westmark“ zu hören waren, könnten viele nichts mehr anfangen. Man habe auch auf Karnevalssitzungen gesungen, um neue Mitglieder anzuwerben. Aber der Verein ist konstant weiter geschrumpft.

Ein Problem, das viele Chöre in der Umgebung haben. „Grundsätzlich sind Männer schwerer zum Singen zu bewegen als Frauen“, erklärt Stefan Thomas. Er ist Kreischorleiter im Chorverband Linker Niederrhein, in dem 95 Chöre zusammengeschlossen sind. Und er hat den Eindruck, dass es sich beim männlichen Chorgesang um ein „aussterbendes Genre“ handelt. Mit Sicherheit, so Stefan Thomas, seien Männerchöre überaltert. Beispiele wie der Arnold-Chor Kempen, der kürzlich zwei junge Sänger hinzu bekam, seien die große Ausnahme.

Viele Männerchöre seien gegründet worden, als es zur Freizeitgestaltung „nichts anderes gab“ und die Sänger eine Möglichkeit sahen, als Männer unter sich zu sein. Die gesellschaftlichen Verhältnisse hätten sich allerdings grundlegend gewandelt. Eine Folge: Manche Chöre sind mangels Masse nicht mehr singfähig – so wie der Quartettverein „Westmark“ in Herongen eben.

„Dass der Chor nun ein Ende nimmt, ist wirklich beklemmend“, sagt Stockfleit. Das bedeutet auch, dass „Westmark“ aus den Geselligen Vereinen ausscheidet. „Dann wird der Verbund nur noch aus fünf Vereinen bestehen“, sagt Günther Janssen. Die werden auch weiterhin die Heronger Kirmes organisieren, bei der ein Auftritt des Männerchors fester Bestandteil war. Die Messe mit Festkettenübergabe hat „Westmark“ immer musikalisch gestaltet.

Ganz aufhören wollen Günther Janssen und Friedhelm Stockfleit aber nicht. Der Quartettverein hatte sich seit dem Frühjahr immer wieder mit dem Chor „Waldeslust“ aus Straelen zusammengetan. „Die Chemie stimmt“, sagt Janssen, der selbst seit mehr als 30 Jahren ein Teil von „Westmark“ war. Die übrigen sieben Mitglieder werden zum neuen Jahr dann zu „Waldeslust“ wechsein. Es sei auch möglich, dass sie in dieser Formation auch weiterhin beim Kirmesauftakt dabei sind.

Damit „Westmark“ aber nicht sang- und klanglos von der Bühne verschwindet, soll es zum Abschluss noch ein großes Konzert geben. Seinen letzten Auftritt hat „Westmark“ am Sonntag, 9. Dezember. Gemeinsam mit dem Männerchor „Waldeslust“ treten die Sänger um 17 Uhr in der Pfarrkirche St. Amandus auf und stimmen ein letztes Mal mit besinnlichen Liedern auf die Weihnachtszeit ein.

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