Religiöses Leben in Geldern „Wir stecken in der tiefsten Krise“

Geldern · In St. Maria Magdalena Geldern fand ein Diskussionsabend mit Weihbischof Rolf Lohmann statt. Die Zuhörer stellten Fragen zu Missbrauch, Geschiedenen und zur Rolle der Frau. Kritik gab es, weil Bischof Felix Genn nicht da war.

 Weihbischof Rolf Lohmann stellte sich am Mittwochabend den kritischen Fragen.

Weihbischof Rolf Lohmann stellte sich am Mittwochabend den kritischen Fragen.

Foto: Fischer, Armin (arfi)/Fischer, Armin (afi)

Die Stimmung war emotional aufgeladen, die Gesichter ernst. Die Kirchengemeinde St. Maria Magdalena Geldern hatte zum Diskussionsabend mit Weihbischof Rolf Lohmann eingeladen. Auslöser war eine Fastenpredigt von Pastoralreferentin Monika Eyll-Naton, die sich kritisch mit den vielen ungelösten Fragen in der katholischen Kirche auseinandergesetzt hatte. Es folgte ein Brief aus Geldern an Bischof Felix Genn, in dem Gläubige schildern, was ihnen auf der Seele brennt. Lohmann nahm zu den verschiedenen Themen Stellung.

Glaubwürdigkeit der Kirche „Wir stecken in der tiefsten Krise überhaupt“, sagt Lohmann ohne Umschweife. „Im Grunde haben wir über Jahrzehnte ganze Generationen und Gruppen verloren. Der Missbrauchsskandal hat das noch prononciert.“ Evangelisieren könne die Kirche nur, wenn sie glaubwürdig ist. Dafür müsse man bereit sein, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen – auf Augenhöhe.

Missbrauch Heiner Dresen, emeritierter Pfarrer aus Geldern, kritisiert: „In meinen Augen wird nicht wirklich aufgearbeitet.“ Was ihn ärgere: Beim Aufarbeiten gehe man erst an die verstorbenen Bischöfe ran, nicht an die lebenden. „Keiner, der in der Personalkonferenz saß, kann sagen, er habe nichts gewusst.“ Lohmann: „Ich sitze seit zwei Jahren in der Personalkonferenz. Seitdem wird permanent über das Thema gesprochen. Wo sie Recht haben: Dieses Ausmaß hätte ich nicht für möglich gehalten.“ Schonungslose Aufarbeitung sei das Gebot der Stunde. „Die Akten gehen alle raus zur Staatsanwaltschaft. Der richtige Weg ist eingeschlagen worden, vielleicht zu spät“, sagt Lohmann.

Frauen im Kirchenamt „Es ist nicht eine Frage, eher ein Gefühl: Was ist das für eine Anmaßung, die Hälfte der Menschheit, die Frauen, von kirchlichen Ämtern auszuschließen“, sagt eine Frau aus dem Publikum. „Das Thema liegt oben auf“, sagt Lohmann. Eine Generalvikarin in München, eine Dechantin im Bistum Münster, „das nehme ich als Entwicklung zur Kenntnis“. Lohmann betont aber auch: „Das wird noch ein großes Stück Arbeit bedeuten.“

Homosexualität Aus dem Publikum erzählt ein Mann, dass er Messdiener war. Zur Zeit von Papst Johannes Paul II. merkte er: „Wir waren nicht erwünscht, noch nicht mal geduldet.“ Der Mann outet sich als homosexuell. Aber er habe mit der Zeit erfahren, dass es Leute gebe, auch in der Gemeinde in Geldern, die ihm vermittelt haben: Gott liebt alle Menschen. Diese Einstellung wünsche er sich auch „oben“ in der katholischen Kirche. „Gott guckt nicht auf die sexuelle Orientierung. Er liebt den Menschen“, sagt Lohmann. Was das Thema Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren angehe: Das seien große Themen, „die wir auch weiter zu beackern haben“.

Geschiedene Eine Frau aus dem Publikum erzählt von einem wiederverheirateten Paar, das vergeblich auf den Segen der katholischen Kirche wartete. „Wir müssen mit den Brüchen der Menschen umgehen können, das ist Evangelium“, erklärt Lohmann. Man habe viele Menschen deswegen verloren. „Da müssen wir zeitnah ran.“

Synodaler Weg Laien und Teilnehmer der Bischofskonferenz reden aktuell über Lösungen zu den brennenden Themen. Kritik gab es von Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der den synodalen Weg mit dem Ermächtigungsgesetz Hitlers verglich. „Es ist ein Skandal für unsere Kirche“, sagt Lohmann zu dieser Kritik. „Für mich ist der synodale Weg ein wichtiges Instrumentarium, die Kirche in die Zukunft zu führen.“

Kritik Pastoralreferentin Monika Eyll-Naton kritisierte, dass Bischof Felix Genn nicht selbst zum Diskussionsabend kam. „Aber immer, wenn es Konflikte gibt, habe ich den Eindruck, weicht er der Basis aus.“

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