Issum Das Windrad überm Gartentisch

Issum · Einwohner aus Oermten sind erschüttert darüber, wie der neue Windpark vor dem Dorf wächst. Sie finden: Das ist viel zu nah an ihren Grundstücken, eine enorme Beeinträchtigung. Sie meinen, das hätte so nie genehmigt werden dürfen.

 Regina und Ernst Friedrichs in ihrem Garten. Hier blicken sie auf zwei Windräder, die schon fertig aussehen. Weitere zwei sind im Bau.

Regina und Ernst Friedrichs in ihrem Garten. Hier blicken sie auf zwei Windräder, die schon fertig aussehen. Weitere zwei sind im Bau.

Foto: Zehrfeld

Wenn Regina und Ernst Friedrichs in ihrem Garten sitzen, schauen sie auf ein Windrad. Egal, wohin sie sich wenden. Drei Anlagen sind den Anwohnern der Rheurdter Straße ins Panorama gewachsen. So groß und so nah: Man hat den Eindruck, sollte eine davon umfallen, würden die Flügel den Gartentisch begraben - auch, wenn das natürlich nicht stimmt.

Das Ehepaar hätte sich im Traum nicht ausdenken können, was die Windpark-Pläne für Oermten für sie bedeuten. Dass man ihnen das zumuten würde, und dass so etwas überhaupt genehmigt werden könnte. "Von der Größenordnung macht man sich keine Vorstellung. Das weiß man erst, wenn das Ding da steht", sagt Ernst Friedrichs.

 Schnappschuss vom formlosen Treffen, bei dem einige Nachbarn sich zu ihrer Lage austauschten. Von links: Jörg Hunsmann, Ralf Rau, Cordula Rohlmann-Reineke, Regina Friedrichs und Ernst Friedrichs.

Schnappschuss vom formlosen Treffen, bei dem einige Nachbarn sich zu ihrer Lage austauschten. Von links: Jörg Hunsmann, Ralf Rau, Cordula Rohlmann-Reineke, Regina Friedrichs und Ernst Friedrichs.

Foto: Zehrfeld Sina

So ging es auch Cordula Rohlmann-Reineke, ebenfalls aus der Nachbarschaft. "Wir kamen Mitte August aus dem Urlaub zurück, und ich dachte, ich seh' nicht richtig", schildert sie. Durchs Wohnzimmerfenster blickte sie auf ein Windrad. "Ich geh' zum Esszimmer rüber - und da steht auch noch so ein Ding", erzählt sie weiter. "Ich war total fassungslos", gibt sie zu. "Ich war richtig schockiert."

Einer Reihe von Oermtern von der Rheurdter Straße und der Umgebung geht es so oder ähnlich. Sie wussten zwar alle, dass die Anlagen gebaut werden sollten. Aber es gibt da ja schon einen Windpark, der die Bürger kaum stört: in größerer Entfernung, etwas verdeckt hinter Bäumen, die Anlagen sind älter und deutlich kleiner. Und im Umfeld wäre noch jede Menge freie Fläche gewesen. Wie nah die neuen Bauten an ihren Grundstücken stehen würden, und wie massiv sie dann wirken würden - das war den Anwohnern nicht klar. "Spargel" von 200 Metern Höhe inklusive Flügeln: "Keiner von uns konnte sich vorstellen, was diese Höhe bedeutet", sagt Regina Friedrichs.

Die Nachbarn haben Angst davor, wie es sein wird, wenn die Anlagen in Betrieb gehen. "Schon bei den kleinen Windrädern hören wir diese Luftbewegungen", berichten sie. Sie hoffen, dass die Schatten der Flügel ihre Grundstücke nicht treffen. Nicht mal nachts ist Ruhe im Panorama - wegen des roten Warn-Blinkens. "Vom Schlafzimmerfenster guckt man bei uns genau in dieses Blinklicht rein", ärgert sich Regina Friedrichs. Und ihre Immobilien verlieren an Wert: "Wollen sie da jetzt ein Haus verkaufen?", fragt Mitstreiter Jörg Hunsmann.

Die Anwohner fühlen sich von der Politik verraten: Die habe eine Fürsorgepflicht für die Bürger, und sie hätte dieses Projekt nicht gutheißen dürfen, finden sie. "Da guckt jetzt ganz Oermten drauf", kritisiert Cordula Rohlmann-Reineke und hält den Entscheidungsträgern zugute: "Vielleicht hat sich da der eine oder andere über die tatsächlichen Ausmaße jetzt auch gewundert."

Nachbar Ralf Rau glaubt daran weniger. "Wir sind von der Gemeinde im Grunde über den Tisch gezogen worden", meint er. Den Windpark-Betreibern gehe es um maximalen Profit, der Gemeinde um Gewerbesteuern. Dass Unternehmen Geld machen wollten, sei ja menschlich, ergänzt Jörg Hunsmann: "Für mich ist der Hauptübeltäter der Gemeinderat." Über einen Kunstrasen für den Sportplatz, "da haben die zwei Jahre diskutiert". Um Tennisplätze im Ort: "Da wird so ein Bohei drum gemacht." Aber Windkraftanlagen, die den ganzen Ort prägen, die würden ganz schnell genehmigt.

Die Nachbarn glauben, dass niemand in Oermten vom Windpark begeistert ist. Viele versuchten jetzt nur noch, sich zu arrangieren. Dass die Windräder nicht mehr abgerissen werden, ist ihnen klar. Aber sie wollen, dass wenigstens alle wissen, wie ihre Situation jetzt ist. Zumindest, fordern sie, sollte allen klar werden, welche Opfer für diesen Windpark gebracht werden.

(RP)
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