Turmstipendium in Geldern Wasserturm als Refugium für Ukrainerinnen

Geldern · Das Turmstipendium in Geldern wird in diesem Jahr anders als üblich ausgerichtet. Damit reagieren die Veranstalter auf die Notlage der Menschen aus dem von Russland überfallenen Land. Bewerbungen sind noch möglich.

Klaus Boegel (l.) und Peter Busch am Gelderner Wasserturm. Dort soll das diesjährige Stipendium besonders angelegt sein.

Klaus Boegel (l.) und Peter Busch am Gelderner Wasserturm. Dort soll das diesjährige Stipendium besonders angelegt sein.

Foto: Klatt

Ein Rückzugsort zum konzentrierten Arbeiten ist der Wasserturm am Gelderner Bahnhof gewesen, seit es das Turmstipendium gibt. In diesem Jahr, bei der 23. Auflage dieser vom Verein „Kuhnst Turm Niederrhein“, vom Kunstverein Gelderland und den Gelderner Freizeit-Künstlern getragenen Veranstaltung, sollen die Stipendiaten in dem alten Gebäude wieder ihre Ruhe finden. Doch diesmal geht es nicht nur um den kreativen Schaffensprozess. Es geht darum, möglichst Abstand zu gewinnen von den Schrecken in der Heimat. Denn diesmal soll der Wasserturm zum Refugium für Künstlerinnen aus der Ukraine werden.

Das bewährte Vorgehen, das Stipendium nicht auszuschreiben, haben die Veranstalter beibehalten. Vor allen Dingen in den Niederlanden, so Peter Busch, der „Kuhnst Turm“-Vorsitzende, funktioniere die Mundpropaganda bestens. Unter den bisher sechs Bewerbern sind auch einige aus dem Nachbarland.

Zu einem Abweichen vom üblichen Auswahlprozess kam es, als ein Mitglied von „Kuhnst Turm“ anfragte, ob man 2022 das Stipendium nicht ausfallen lassen und statt dessen den Wasserturm als Unterkunft für Frauen aus der Ukraine und deren Kinder nutzen wolle. Ein Vorschlag, der nicht nur bei Busch auf Skepsis stieß. „Wenn das Stipendium ein, zwei Jahre ruht, dann ist es tot“, fürchtet er.

Die jetzt gefundene Lösung soll beiden Seiten gerecht werden: der Kunst und dem Flüchtlingselend. Frauen aus der Ukraine sollen sich mit einer bestimmten Thematik künstlerisch weiterbeschäftigen, aus der Misere etwas herauskommen. In den vergangenen Wochen knüpften die Organisatoren Kontakte, um mögliche Teilnehmerinnen ausfindig zu machen. So hat man laut Busch mit einem Musiker aus Issum gesprochen, der von ukrainischen bildenden Künstlerinnen an der Akademie in Düsseldorf weiß. Brigitta Heidtmann vom Berufsverband Bildender Künstler (BBK) habe man signalisiert, dass man für Kontakte dankbar sei. Das Sozialamt von Geldern – in der Stadt sind derzeit rund 150 Ukraine-Flüchtlinge untergebracht – weiß Bescheid. Und Anastasiya Nesterova, 2021 Turm-Stipendiatin gewesen, deren Eltern auf der Krim leben, bringt laut Busch Flüchtlingsfrauen in Kunsthäusern unter. „Sie will sich melden, wenn sie jemanden hat, der in Frage kommt.“

Nach Ansicht von Klaus Boegel vom „Kuhnst Turm Niederrhein“ ist das Stipendium ein Angebot an Ukrainerinnen, vier bis sechs Wochen unbehelligt arbeiten zu können und zur Ruhe zu kommen. „Mal sehen, was sich im Rückzugsraum entwickelt.“ Das Thema sei offen, betont Busch. Der Verein sei finanziell gut aufgestellt, weil 2021 gut gewirtschaftet worden sei und weil mit der Sparkasse, den Stadtwerken und der Stadt die Sponsoren wieder dabei seien.

Während der Sommerferien soll das Stipendium stattfinden. Wobei, so Boegel und Busch, der Zeitrahmen flexibel sei und sich nach den Künstlern richte.

Vor dem Stipend0ium wird der Gelderner Wasserturm von anderen Künstlern in Beschlag genommen. Dort findet anlässlich der Kreis Klever Kultourtage am Samstag und Sonntag, 14. und 15. Mai, die Ausstellung „Memento mori“ statt. 25 Künstler haben sich bisher dafür angemeldet, von denen die meisten nach Angaben von Busch speziell für dieses Thema arbeiten. Es ist aber noch reichlich Platz im „langen Lulatsch“ an den Bahngleisen. Busch: „Wir haben auch schon 35 Künstler bei uns im Wasserturm gehabt.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort