Idylle am Niederrhein Paesmühle lässt Straelen aufatmen
Straelen · Wer in Straelen aufgewachsen ist, für den war früher der Weiher mit Kapelle und Wald das Ziel für Sonntagsspaziergänge. Doch auch für Erwachsene ist das Gebiet der ideale Ort, um den Alltag zu vergessen.
Ein lauer Aprilwind streicht durch die Buchenwipfel. Gemächlich gleiten einige Erpel über das flache Wasser und lassen ein leises Schnattern hören. Ein junges Pärchen auf einer Bank hält die Gesichter in die Sonne. Margret Linßen auf der Bank daneben blickt über den Weiher auf die weiße Kapelle. „Hier ist mein Lieblingsplatz“, sagt die Straelenerin. Hier könne sie abschalten, meditieren. Und nicht nur sie. Viele Menschen aus Straelen und Umgebung kommen in das Waldgebiet rund um den Paesmühlenweiher, um den Alltag hinter sich zu lassen.
Margret Linßens Gedanken schweifen rund 50 Jahre zurück. „Für uns Kinder war das früher der Sonntagsausflug. Enten füttern an Paesmühle war unser Highlight“, sagt die 60-Jährige. Heute sind „Bröckskes“ für die Gefiederten tabu. „Enten füttern ist kein Naturschutz“, mahnt ein Schild im Weiher. Früher gab’s auch Schwäne hier. „Einer war ganz frech, der machte den Kindern Angst“, erinnert sich Margret Linßen.
Die stolzen Schwimmvögel sind Vergangenheit. Ebenso wie das Gebäude, das dem Straelener Naherholungsgebiet seinen Namen gab.
Die ursprüngliche Mühle wurde schon 1369 in einer Steuerliste erwähnt. Zur „Paesmühle“ wurde sie vermutlich erst im 18. Jahrhundert, als sie einer Familie Paes oder Paess gehörte. Auf diese Familie geht wahrscheinlich auch der Bau des Paesmühlenhofs von 1710 zurück. Noch mehrfach wechselte die Mühle den Besitzer, bis mit dem Tod des letzten Müllers 1917 der Mühlenbetrieb endgültig endete. 1922/23 wurde die mittlerweile verfallene Mühle abgerissen.
1923 wurde auf dem Grundstück des Paesmühlenhofes ein Herrenhaus erbaut, das unter Denkmalschutz steht. Es wird seit Jahren von der Firma Gasline genutzt.
In den 1920er Jahren diente das ganze Gelände als katholische „Erholungsstätte für die Industriejugend“. Ein neu gebautes Stahlhaus für die Unterbringung der Jugendlichen wurde 1928 eingeweiht, das Herrenhaus stand damals dem Rektor des Jugendheimes zur Verfügung. 1930 erwarb die katholische Sankt-Josef-Pfarrei aus Duisburg das Anwesen als Ferien- und Erholungsort für Großstadtkinder. Die Scheune des Paesmühlenhofes wurde zu einer Kapelle umgebaut und 1930 Johannes dem Täufer geweiht.
Während der NS-Zeit wurde das Anwesen von den damaligen Machthabern entschädigungslos enteignet. 1952 ging der Besitz wieder an die Pfarrei Sankt Josef zurück, die bis in die Mitte der 70er Jahre Ferienfreizeiten durchführte. Mitte der 1960er Jahre ging ein Teil des Geländes des Paesmühlenhofes durch den Bau eines Bundeswehrdepots verloren. 1984 kaufte die Stadt Straelen das gesamte Gelände mit Herrenhaus, Kapelle und Gemeinschaftsräumen.
Seit dem 19. März 1999 können Paare dort in traumhafter Umgebung am Weiher im Wald standesamtlich heiraten. Die romantische Kapelle zieht seit 20 Jahren heiratswillige Paare nicht nur aus Straelen, sondern auch aus den benachbarten Gemeinden und Städten an. In den vergangenen Jahren stieg die Anzahl der Eheschließungen von Jahr zu Jahr. 2018 waren es insgesamt 122 Eheschließungen, für 2019 lagen bis April bereits 122 Anmeldungen vor.
Unter anderem gab Hermann Tecklenburg, Bauunternehmer und Präsident des SV Straelen, Martina Voss, heute Trainerin der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft, dort das Ja-Wort. Dass die Stadt mal einen Gondoliere suchte, um Brautpaare über den kleinen See zu rudern, war allerdings ein Aprilscherz.
Rund 60 Sitzplätze stehen zur Verfügung, so dass insgesamt etwa 100 Gäste Platz finden. Möglich ist es, die vorhandenen Stehtische für einen sich an die Trauung anschließenden Sektempfang zu nutzen. Grundsätzlich sind Eheschließungen von montags bis freitags zu den regulären Dienstzeiten, an drei Samstagen im Monat um 10, 11 und 12 Uhr sowie zweimal freitags pro Monat auch um 15, 16 und 17 Uhr in der Kapelle möglich.
Ihre Liebe dokumentieren die Menschen in Paesmühle nicht nur durch ihre Unterschriften unter die Standesamts-Urkunde. Neben der Kapelle steht ein überdimensionales eisernes Herz. Viele Vorhängeschlösser mit den Namen der Liebenden hängen daran.
