Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (9) Das Haus des alten Drechslers in Walbeck

Geldern · In der Pinnertstraße war das Zuhause von Gerhard Geelen. 1700 wurde es erbaut. 1779 hielt es einer Feuersbrunst stand. Legenden nach fanden Ordensschwestern dort Zuflucht. 1986 wurde das Gebäude abgerissen. Heute ist am Ort ein Parkplatz.

 Bei der Arbeit in seiner alten Werkstatt, die Pfeife im Mundwinkel: Das ist Gerhard Geelen, von Beruf Drechsler. Heute erinnern sich mit etwas Glück noch die "alten Walbecker" an den Junggesellen.

Bei der Arbeit in seiner alten Werkstatt, die Pfeife im Mundwinkel: Das ist Gerhard Geelen, von Beruf Drechsler. Heute erinnern sich mit etwas Glück noch die "alten Walbecker" an den Junggesellen.

Foto: Staatliche Landesbildstelle Niederrhein Düsseldorf

Walbeck Mit der Pfeife im Mund an der Drechslermaschine, so hat auch der Walbecker Paul Niersmann den Drechslermeister Gerhard Geelen noch vor Augen. Der Handwerker war der letzte Eigentümer des Hauses an der Pinnertstraße und gab ihm auch den Namen: Geelen-Haus.

1986 wurden das Gebäude und die Werkstatt abgerissen. Auf dem großen Grundstück mit Garten entstand ein Wohn- und Geschäftshaus. Heute ist dort ein Frisör, ein Teil dient als großer Parkplatz.

 Das Bild aus dem Jahr 1978 zeigt das "Geelensche" Haus, 1986 wurde es abgerissen.

Das Bild aus dem Jahr 1978 zeigt das "Geelensche" Haus, 1986 wurde es abgerissen.

Foto: Paul Niersmann

Der alte Bau hatte eine bewegte Geschichte. 1700 wurde er errichtet, das verrieten die Maueranker. Zur Straßenseite war das Haus verputzt, die Seiten und die Rückseite waren verklinkert. Es war kein ortsprägendes Gebäude, eher ein schlichtes Haus mit Fensterläden. Auffallend war die Giebelform. "In dieser Art gibt es die noch bei zwei weiteren Walbecker Gebäuden", sagt Paul Niersmann. Das alte Pastorat und die Vorburg vom Haus Steprath haben einen ähnlichen Giebel.

Im April 1779 blieb das Haus an der Pinnertstraße als eines von wenigen stehen. Der Augenzeuge Pfarrer Hermann Beckx hat die Ereignisse des schicksalhaften Tages in einem Taufbuch der Pfarre Walbeck festgehalten. "Am 1. April ist die Herrlichkeit Walbeck in Flammen aufgegangen", steht da. 49 Häuser verbrannten, zudem 30 Scheunen und Ställe.

Vermutlich sei ein Backhaus, das abbrannte, die Ursache gewesen, sagt Paul Niersmann. "Es muss stürmisches Wetter gewesen sein. Der Wind trieb die Feuerwalze durch das ganze Dorf." Stehen geblieben sind damals unter anderem die Kirche, die Luziakapelle, das alte Pastorat und das Haus Geelen.

Später sollen Ordensschwestern in dem Haus Zuflucht gefunden haben, als Napoleon durch Beschluss 1802 die Klöster schließen ließ. Belege gibt es dafür nicht, im Volksmund wurde das so weitergetragen. Gerhard Oppenberg schreibt in seinem Buch "Walbeck. Freiherrlichkeit und Gemeinde" auch nur von "der Wahrscheinlichkeit", dass Ordensschwestern in dem Haus an der Pinnertstraße unterkamen.

Im Volksmund hieß die Pinnertstraße übrigens "Papphuck", wegen ihres schlechten Bodenbelags. "Papp" steht für moderig und "Huck" für "Ecke". "Pinnert", auch der Name hat eine Bedeutung: "Pinnert" stehe für "der Gepeinigte", erklärt der Walbecker Niersmann. Am Ende der Straße stand ein Baum, der an den gekreuzigten Gottessohn erinnert. Die Äste waren so beschnitten, dass sie ein Kreuz bildeten.

Den Baum gibt es nicht mehr, an der Stelle steht heute die Josefskapelle, um die sich die Mitglieder der St.-Aloysius-Bruderschaft kümmern. Auch der Drechsler Gerhard Geelen war Mitglied der Junggesellen-Bruderschaft. Er hat nie geheiratet. Um seinen Haushalt kümmerte sich seine Nichte.

Auffallend war sein vierbeiniger Begleiter. "Er hatte einen Hund, Waldi", erinnert sich Niersmann und zeigt eine Größe in Wadenhöhe. Der Hund zog, trotz seiner recht geringen Körperhöhe, einen kleinen Karren hinter sich her und erwies sich als treuer Gefährte des Drechslers. Gegenstände des täglichen Lebens stellte er in der Werkstatt her, die sich neben dem Wohnhaus an der Pinnertstraße befand. "Er fertigte fast alles an, was man in Küche und Stall brauchte, aber damals in keinem Geschäft kaufen konnte, zum Beispiel Kartoffelstampfer, Löffel und so weiter", erinnert sich Paul Niersmann.

Er war als Junge in der Werkstatt, um dort "einzukaufen". Es gab kein Telefon. Bestellung über Internet, daran dachte damals noch keiner. Man ging einfach dorthin, wo die Sachen hergestellt wurden. Und Walbeck war reich an Handwerkern. "Natürlich gab es eine Schmiede, Schlosser, mehrere Schreiner. Walbeck war Schusterdorf", zählt Niersmann auf. Als er Geelen in seiner Werkstatt besuchte, war er, heute 82 Jahre alt, ein Junge von zehn oder zwölf Jahren, der Drechsler schon ein alter Mann. "Ich musste laut sprechen, er hörte schlecht."

Am 9. September 1959 starb Gerhard Geelen mit 93 Jahren. "Arbeit und Gebet waren sein Lebensinhalt. Trotz Schwerhörigkeit und fast vollständiger Erblindung bewahrte er erbauliche Geduld", steht als persönliche Note auf seinem Totenzettel. "Durch sein zufriedenes Wesen war er in seinem großen Bekanntenkreis geachtet und beliebt. In seiner echten Frömmigkeit war er vorbildlich für Männer und Jungmänner."

Sein Haus ist den Walbeckern als das "Geelensche Haus" noch ein Begriff. Nach dem Abriss 1986 war von dem Gebäude aus dem Jahr 1700 nichts mehr übrig. Niersmann hat es aber 1978 fotografiert und so für die Nachwelt festgehalten.

(RP)
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