Abschiedsparty in der „Friedenseiche“ am 21. Dezember Das Ende der „Friedenseiche“

WALBECK · Die Familie Schopmans betreibt die Walbecker Gaststätte in der vierten Generation. Sie gibt das Haus zum Jahresende in andere Hände.

 Die Geschwister Gaby Hetjens und Klaus Schopmans betrieben die „Friedenseiche“ in der vierten Generation. Das alte Bild zeigt den ehemaligen Lokalbesitzer und Schützenkönig Johann Lamers.

Die Geschwister Gaby Hetjens und Klaus Schopmans betrieben die „Friedenseiche“ in der vierten Generation. Das alte Bild zeigt den ehemaligen Lokalbesitzer und Schützenkönig Johann Lamers.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Wenn die Mauern der „Friedenseiche“ in Walbeck Geschichten erzählen könnten, es wären lange Abende. Auf jeden Fall verabschieden sich die Geschwister Gabi Hetjens und Klaus Schopmans als direkte Nachfahren der vierten Generation vom Saalbau am Freitag, 21. Dezember, mit einer Riesenparty (lange ausverkauft) auch ein wenig von ihrem eigenen Lebensabschnitt. Ein Gebäude, das sie von Kindesbeinen an auf die eine oder andere Weise mehr oder weniger begleitet hat.

Und definitiv – generationsübergreifend – das Leben vieler Walbecker. In diesem Saal wurde schon das Kriegsende 1870/71 gefeiert, der Walbecker Musikverein gründete sich hier 1877. Damals besaß noch die Witwe Mours die Gaststätte. Klaus Schopmans zitiert aus den Aufzeichnungen seines Vaters Helmut: „Im Jahr 1900 brannte die Friedenseiche. Wurde aber ganz eilig wiederaufgebaut, weil ja die Kirmesfeier vor der Türe stand. Und ja, da gibt es nur eine ganz dünne Wand zwischen der Friedenseiche und dem Haus Eyckmann. Als Kind habe ich hier oben auf dem Söller gespielt und einen Steinblock weggezogen. Damals konnte ich dem Nachbarsjungen Josef Eyckmann durch das Loch zuwinken.“

Das wellige Dach des Saales deute übrigens nicht auf Baufälligkeit hin. Vielmehr seien dies Zeugnisse von zwei Flak-Sprengkörpern, die, von der Maas aus abgeschossen, an dieser Stelle eingeschlagen waren. Nach Kriegsende seien die Lücken eben so repariert worden.

 Immer wieder war in der „Friedenseiche“ eine Bühne für die Rockmusik. Etwa für ein Konzert von „Birth Control“.

Immer wieder war in der „Friedenseiche“ eine Bühne für die Rockmusik. Etwa für ein Konzert von „Birth Control“.

Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

Der Saal diente als Wanderkino und Theaterkulisse, als Schlaf- und Wohnstätte für Soldaten, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Vater Helmut Schopmans berichtete gerne, dass die Soldaten des britischen Feldmarschalls Montgomery die „Friedenseiche“ im März 1945 besetzten. Feuerwehrbälle, Musikkonzerte, Karnevalssitzungen, Hochzeiten, Königsgalabälle, Spargelbälle und Diskotheken spielten sich im Laufe der jüngeren Jahrzehnte unter diesem Dach ab. Jüngst war die „Friedenseiche“ Kulisse für einen historischen Heimatfilm.

„Natürlich verbinden wir mit der Friedenseiche Kindheitserinnerungen“, erzählt der 62-Jährige. Er berichtet, dass er mit seinem Bruder Ludger schon als 14- und 15-jährige Teenager zu den Festen der legendären Band „Moonlights“ hinter dem Tresen das Bier zapfte. „Die Kellner brachten das Bier damals noch im Glas zu den Tischen.“ Auch gelernt habe man: „Einmal hatten wir kein einziges Glas mehr im Schrank. Ich habe heute noch das Bild deutlich vor Augen, dass der Saal nach einem Disco-Abend ein einziges Gläsermeer war.“

Mit Gabi und Klaus verabschiedet sich die vierte Generation einer direkten Linie von Nachfahren des Schmieds Johann Lamers, der 1903 den Besitz im Spargeldorf erstand. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Saal Quartier belgischer Besatzungssoldaten.

Über die Grenzen des Niederrheins hinaus bekannt wurde der schwergewichtige Wirt Johann Lamers als Jubel-König anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Gilde im Jahr 1928. Zwei Jahre später überließ der Wirt seinem Sohn Heinrich den Betrieb. Als dieser 1949 aus russischer Gefangenschaft heimkehrte, hatten Ehefrau Sybille und Tochter Maria Lamers, die 1953 Helmut Schopmans heiratete, den Betrieb längst wiedereröffnet.

Anfang der 1980er Jahre wurde das Haus gründlich renoviert, und seitdem dokumentieren alte Fotos an den Wänden ein bewegtes Stück der Walbecker Dorfgeschichte. „Bis 2006 gehörte die Friedenseiche noch meiner Mutter, die zwischenzeitlich die Räume verpachtet hatte. Der Gaststättenbetrieb wurde 2003 wegen vorzeitiger Kündigung des Pächters geschlossen, und eigentlich wollten Gabi und ich 2004 den Betrieb zum Karneval nur übergangsweise übernehmen. Daraus sind jetzt 14 Jahre geworden“, rechnet der Walbecker nach. Das Geschwisterpaar öffnete nicht regelmäßig, sondern nur zu besonderen Ereignissen die Türen, und die Räume konnten für private Feiern angemietet werden.

„Dass wir unsere Friedenseiche zum Jahresende 2018 an engagierte Walbecker verkaufen konnten, sehen wir als glückliche Fügung“, schließt Klaus Schopmans jetzt den Kreis der Saalwirtschaft in Familienhand.

Es habe ja in den vergangenen Monaten eine brodelnde Gerüchteküche über das Schicksal nach dem Verkauf der „Friedenseiche“ gegeben. Aber so ganz in fremde Hände geben die Geschwister das Gebäude nicht. Denn mit der Eigentümerin Ulrike Kisters und ihrem Lebenspartner Michael Pscheidl sei man über „fünf Ecken“ wieder irgendwie verwandt.

Die historischen Bilder, erklärt Klaus Schopmans zur Sondervereinbarung mit den Käufern, bleiben zwar im Familienbesitz, aber als Dauerleihgabe an den Wänden hängen.

Eben doch ein wenig so, als könnten die Wände Geschichten erzählen – aus einer längst vergangenen Zeit im Dorfleben.

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