Jugend und Beruf Berührungsängste kennt er nicht

Kreis Kleve · Karsten Kaspers studiert Sonderpädagogik an der Uni Köln. Ein Anstoß für seinen Werdegang war auch seine Schwester Karina, die das Downsyndrom hat. Im Interview erzählt er, was ihn an dem Studium und an der Arbeit mit Behinderten begeistert.

 Karina Kaspers hatte Einfluss darauf, dass ihr Bruder Karsten Sozialpädagoge wird.

Karina Kaspers hatte Einfluss darauf, dass ihr Bruder Karsten Sozialpädagoge wird.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Karsten Kaspers, 20 Jahre alt, hat bereits als Schüler ein zweiwöchiges Praktikum an einer Förderschule absolviert und sich nach dem Abitur für einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) an der Don-Bosco-Schule in Geldern entschieden. Jetzt studiert der Nieukerker auf Lehramt für Sonderpädagogik an der Universität zu Köln.

Was findest du an deiner Schwester cool?

Karsten Kaspers Karina ist einfach ein unglaublich lebensfroher, hilfsbereiter und lustiger Mensch. Ihre lebensbejahende Aura beeinflusst alle Menschen sehr positiv.

Fandest du es schade, dass deine Schwester nicht auf eine normale Schule gegangen ist?

Kaspers Nein, im Gegenteil. Es war ein Segen für Karina. An einer Förderschule kann wesentlich individueller auf die Schüler eingegangen werden. Es ist an einer Förderschule so, dass vor dem Erlernen von Fachwissen das Erreichen der individuellen Förderziele steht. Jeder Schüler verfolgt pro Schuljahr ein festgelegtes Ziel. Bei einem Rollstuhlfahrer kann das eigenständig fahren und bei einem halbseitig gelähmten Schüler das eigenständige Essen beispielsweise das Ziel sein. An Regelschulen ist es schwierig, sich für die einzelnen Schüler intensiv Zeit zu nehmen. Dort ist alles auf Leistung getrimmt. An einer Förderschule ist der Weg das Ziel. Es geht darum, den Schülern ein bestmögliches Leben zu ermöglichen.

Hat der Umstand, dass du eine Schwester mit dem Downsyndrom hast, eine entscheidende Rolle im Hinblick auf deine Berufswahl gespielt?

Kaspers Wenn ich an das Schülerpraktikum an der Förderschule zurückdenke, würde ich diese Fragen mit ‚Ja‘ beantworten. Dank der Sommerfeste an Karinas Schule, wo wir mit der ganzen Familie vor Ort waren, hatte ich bereits einen Draht zur Don-Bosco-Schule. Auch meine Themenwahl der Facharbeit „Wie man den Gleichgewichtssinn eines Kindes mit Downsyndrom verbessern kann“ hat ja genau das Handicap meiner Schwester thematisiert. Somit würde ich schon sagen, dass meine Schwester einen gewissen Teil dazu beigetragen hat, dass ich nun auf dem Lehramt für sonderpädagogische Förderung studiere. Sie war der erste Anstoß für meinen beruflichen Werdegang.

Wie kam es vor der Studienwahl dazu,  dass  du dich nach dem Abi für einen BFD entschieden hast?

Kaspers Ich hatte das Glück, dass mir das Schülerpraktikum an der Förderschule sehr gefallen hat. Meine Schule, das Friedrich-Spee-Gymnasium, hat zudem Sportprojektkurse mit der Don-Bosco-Schule angeboten. Dort war ich auch aktiv und habe die Lehrer unterstützt und auch eigene Sportaufgaben für Menschen mit Behinderung kreiert. Dabei habe ich gemerkt, dass mich die Sonderpädagogik sehr interessiert. Somit bewarb ich mich für einen BFD  an der Don-Bosco-Schule.

Warum würdest du Abiturienten ein Jahr Bundesfreiwilligendienst  weiterempfehlen?

Kaspers Die Erfahrungen, die ich während des BFD gemacht habe, haben mir sehr bei meiner Studienwahl geholfen. Ich kann jedem empfehlen, nach der Schule Praxiserfahrungen zu sammeln.

Was waren deine Aufgaben?

Kaspers Man ist ein fester Teil einer bestimmten Schulklasse und unterstützt dort die Lehrer. Dazu gehören auch die Pflege und die Begleitung beim Sport- und Schwimmunterricht. Man besucht im Laufe des BFD auch Seminare, die vom jeweiligen Träger des BFD, also Arbeitgeber, angeboten werden. Bei mir war das Deutsche Rote Kreuz (DRK) der Träger. Ich habe mich jedes Mal wahnsinnig auf die interessanten Seminare gefreut.

Was unterscheiden einen Sonderpädagogen von einem Lehrer, der an einer „normalen“ Schule unterrichtet?

Kaspers Man benötigt als Förderschullehrer ein ganz besonderes Einfühlungsvermögen. Wichtig sind  aber auch Sensibilität, Verständnis und Rücksicht in Bezug auf die unterschiedlichen, körperlichen und geistigen Einschränkungen der Schüler.

Viele Menschen haben Berührungsängste. Warum?

Kaspers Ich kann verstehen, warum Leute Berührungsängste haben. Diese sind nur vorhanden, weil sie bisher keinen Kontakt zu behinderten Menschen hatten. Es ist eine Art von abstrakter Angst. Alle Leute, die vorher noch nie Kontakt zu Behinderten hatten, haben mir gesagt, dass ihre „Ängste“ unbegründet waren. Ich hatte solche Ängste wegen meiner Schwester nie, da ich mit ihr aufgewachsen bin und schon früh Kontakt zur Don-Bosco-Schule hatte, wo ich mit Behinderungen in Kontakt kam.

Inwiefern ist der Beruf des Sonderpädagogen ein Mix aus einer Pflegefach- und Lehrkraft?

Kaspers Das hängt überwiegend davon ab, wie bedürftig die Schüler hinsichtlich ihrer eigenen Pflege sind. Je nachdem zählt es deshalb tatsächlich auch zu den Aufgaben eines Förderschullehrers der Pflege nachzukommen. Auch deswegen finde ich es sinnvoll, dass BFDler mit in pflegerische Aufgaben einbezogen werden, damit sie wissen, worauf sie sich im Falle der Berufswahl einlassen.

Was begeistert und motiviert dich besonders an dem Beruf des Sonderpädagogen?

Kaspers Es ist sehr schön, die Kinder an einer Förderschule etwa bis zum 20. Lebensjahr zu begleiten. Dadurch kann man die Entwicklung der Schüler mehr miterleben, als beispielsweise ein Grundschullehrer, der ein Kind lediglich vier Jahre seines Lebens begleitet. Bei einem Sonderpädagogen sind das etwa 14 Jahre. Man lernt zudem viele Persönlichkeiten kennen. Es gibt an einer Förderschule auch unterschiedliche Behinderungen, mit denen man in Kontakt tritt. Das stellt einen vor Herausforderungen und macht den Beruf sehr abwechslungsreich.

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