Geldern Archiv will alte Fundstücke abgeben

Geldern · Zahllose Zeugnisse der Geschichte schlummern ungesichtet und ungenutzt im Magazin des Stadtarchivs. Archivarin Yvonne Bergerfurth schlägt vor, sie dem Land NRW zu vermachen. Dann hätte die Forschung etwas davon, sagt sie.

Geldern: Archiv will alte Fundstücke abgeben
Foto: Seybert Gerhard

Der Inhalt des Kartons "Schloßstraße Februar 1995" sieht ein bisschen so aus, wie am Strand zusammengesammelt. Es sind allerdings Funde aus einer Grabung. Ein Teil einer grünen Glasflasche mit aufgeprägten Buchstaben. Bunte Kacheln. Keramikscherben, korrodierte Klumpen. Ein dünnwandiges Metallobjekt, anscheinend ehedem blau. Was das wohl mal war? Ein Kochtopf? Werkzeug? Weihrauchschale? Bombenfragment? "Ich habe keine Ahnung", sagt Stadt-Archivarin Yvonne Bergerfurth.

Kann sie auch gar nicht: "Die Frage, was das ist und ob es etwas wert ist, müssen Archäologen beantworten", stellt sie fest. Sie hingegen weiß vorerst nicht mal, welcher Anblick sie erwartet, bevor sie einen beliebigen Karton im Archiv-Magazin in der Villa Eerde öffnet, in der sich das Stadtarchiv befindet. Denn da schlummern jede Menge Kisten, Kästen, Tüten mit nicht erforschten, nicht erfassten, nicht katalogisierten archäologischen Fundstücken der vergangenen Jahrzehnte im Dornröschenschlaf. "Wir haben das mal hochgerechnet", so Bergerfurth: Demnach käme man auf 270 Standard-Archivkartons voller Material, zuzüglich größere Einzelstücke. Größtenteils stammen die Zeugnisse der Vergangenheit aus offiziellen Grabungen, die in Geldern angestellt wurden, manches auch aus Nachlässen oder Spenden.

Yvonne Bergerfurth regt an, diese Sammlung an das Land abzutreten. Nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2013 wird mit allem, was seitdem aus dem Boden geholt wird, ohnehin so verfahren.

Über den Landschaftsverband Rheinland (LVR) könnten die Gegenstände vernünftig gelagert und der Forschung zugänglich gemacht werden, sagt Bergerfurth. "Kein Mensch hat etwas davon, wenn Sachen einfach nur in Regalen liegen", betont sie eindringlich. In Geldern gebe es "weder die fachliche Expertise, noch die sachlichen Voraussetzungen, die Stücke zu erfassen, zu bewahren und nutzbar zu machen".

Die Stadt würde mit dem Schritt ihres Wissens nach auch kaum größere Gold- und Kunstschätze aufgeben, meint sie. "Der Wert der Stücke ergibt sich größtenteils aus dem Fundkontext: Was sie über den Ort sagen können, an dem sie ausgebuddelt wurden." Die Bedeutung liege "in der Auseinandersetzung" mit den Gegenständen, will sie klarmachen: "Nicht im ,Haben', nicht im ,Besitzen'."

Gibt die Stadt die Objekte an das Land NRW ab, dann würden sie zunächst gesichtet, mit verfügbaren Akten und sonstigem Material abgeglichen und ihrer jeweiligen Fund-Situation zugeordnet. Die Fakten würden in einer Datenbank gesammelt, und die Stücke selbst kämen ins Depot des LVR-Landesmuseums in Bonn.

"Ausgewertet" wären die Funde damit natürlich noch nicht - es wüsste noch immer niemand, um was es sich bei einzelnen Teilen handelt. Aber durch Datenbank und Depot könnte sie jeder finden, der sich zum Beispiel in einem Forschungsprojekt damit befassen wollte. Auch könnte die Stadt Geldern ihren ehemaligen Besitz immer noch ausleihen und ausstellen: "Etwas, das wir jetzt nicht machen könnten", so Bergerfurth.

Ob die Stadt die Fundstücke abgibt oder nicht, ist noch nicht entschieden. Es liegt in der Hand der Politik. Der Kulturausschuss des Stadtrates wird sich damit befassen.

(RP)
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