Unsere Woche Das Undenkbare gehört wieder zum Leben

Meinung | Geldern · 30 Jahre lang konnten wir uns der Illusion hingeben, in Europa könne es nie wieder zu Krieg kommen. Bis Wladimir Putin seine Truppen in die Ukraine einmarschieren ließ.

 Die Angst vor einem nuklearen Anschlag ist zurück.

Die Angst vor einem nuklearen Anschlag ist zurück.

Foto: dpa

Es war 1984, als Hermann van Veen auf seiner Langspielplatte „Signale“ das Lied „Die Bombe fällt nie“ veröffentlichte. Es war die Zeit des Kalten Krieges. Hochgerüstet bis an die Zähne standen sich die beiden Militärblöcke Nato (West) und Warschauer Pakt (Ost) gegenüber. Die atomare Bedrohung und die Angst vor der Auslöschung der Menschheit war allgegenwärtig. Van Veen, niederländischer Poet und Sänger, behandelte das Thema in seinem Lied ironisch, ließ das Leben eines Menschen aus dem Gleis geraten durch die Nachricht, dass die nukleare Gefahr wohl gebannt sei.

Es ist 2022. Lange konnten wir glauben, dass das von van Veen ironisch skizzierte Szenario Realität sei. 1989/90 brach der Warschauer Pakt mit dem Ende der Sowjetunion zusammen. Die Nachfolgestaaten der UdSSR, mit Russland als Schwergewicht und mit unter anderem der Ukraine und den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, schienen in die neue europäische Ordnung integriert zu sein. Seit Donnerstag wissen wir: Im Fall Russland ist dem nicht so. Nach einer über Wochen vollzogenen Truppenkonzentration an der ukrainischen Grenze gab Wladimir Putin den Befehl, ins Nachbarland einzumarschieren. Und jedem, der sich in den Weg stellen wollte, drohte er mit noch nie erlebten Konsequenzen.

 Michael Klatt ist stellvertretender Leiter der RP-Lokalredaktion Geldern.

Michael Klatt ist stellvertretender Leiter der RP-Lokalredaktion Geldern.

Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

30 Jahre lang konnten wir uns der Illusion hingeben, in Europa könne es nie wieder zu Krieg kommen. Wobei geflissentlich übersehen wurde, dass im ehemaligen Jugoslawien schon in den 90er Jahren wieder geschossen und gebombt wurde. Jetzt aber gehört das Undenkbare wieder zum Leben. Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine bleiben den Ohnmächtigen als Mittel. So wie Mitte der 80er Jahre die großen Demonstrationen gegen die Nachrüstung.

„Hat das nicht schlimme Konsequenzen? Die Zukunft hatte bislang Grenzen“, sang Hermann van Veen 1984. Diese Aussage ist, ganz ohne Ironie, wohl leider wieder gültig.

Michael

Klatt

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