Familie aus Erkrath sucht ebenfalls Betroffene Mutter will Selbsthilfegruppe gründen

Erkrath · Die Familie Gbür aus Erkrath sucht Eltern, die auch ein Problem mit der Verhinderungspflege für ein Kind mit Beeinträchtigung haben.

 Amelie (8), Mutter Natalija Gbür und Luis (3) spielen gern zusammen.

Amelie (8), Mutter Natalija Gbür und Luis (3) spielen gern zusammen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Es ist ein Bild, wie man es in vielen Wohnzimmern sieht, in denen Familien mit Kindern zuhause sind: Eine Mutter sitzt mit ihren beiden Kindern am Esstisch und sie spielen zusammen Memory. Alle freuen sich, wenn ein Bilder-Paar aufgedeckt wird, Gelächter, Lob und Aufmunterungen fliegen über den Tisch hin und her. Wenn Natalija Gbür und ihre beiden Kinder, die achtjährige Amelie und der fünf Jahre jüngeren Luis zusammen spielen, muss sie nicht nur aufgrund des Altersunterscheid der beiden Kids öfter als andere Mütter in das Spielgeschehen eingreifen.

„Amelie kam völlig gesund zur Welt. Doch kurz nach der Geburt verursachte eine Ammoniak-Vergiftung einen irreparablen Gehirnschaden. Ihre Leber konnte aufgrund einer sehr seltenen Auto-Immunerkrankung diesen Stoff nicht abbauen. Mit drei Jahren wurde ihr bereits eine neue Leber transplantiert“, erklärt die Mutter des fröhlichen Mädchens, das seit der Geburt ihres Bruders einen großen Entwicklungsschritt gemacht habe, dass der Alltag in ihrer Familie ungleich anders verläuft als in vergleichbaren Familien.

Amelie besucht die zweite Klasse der Hans-Helm-Schule in Mettmann. Seit kurzem kommt einmal pro Woche eine Gebärdensprache-Lehrerin, um sie zu unterrichten – aus Köln, denn es gibt einfach zu wenige qualifizierte Gebärden-Lehrende. „Wir haben diese Förderschule extra gewählt, weil ihr Schwerpunkt darauf liegt, Kinder zu fördern, die Schwierigkeiten mit dem Spracherwerb haben.“

Die Achtjährige geht gern zur Schule, wird morgens abgeholt und nachmittags zurückgebracht. Weder für diese Wege noch im Unterricht selbst benötigt Amelie einen Inklusionsbegleiter. „In ihrer Klasse sind acht Schülerinnen und Schüler. Außer ihr haben alle anderen Kinder eine Betreuung dabei. Da ist die Ablenkung natürlicherweise sehr groß, wenn diese ihren zu betreuenden Mädchen und Jungen dabei helfen, zu verstehen, was die Lehrerin erklärt.

Amelie braucht dafür keine Hilfe. „Es wäre sogar eine Ablenkung für sie, wenn sie zusätzlich einen Inklusionshelfer hätte,“ macht Natalija Gbür klar, dass der Förderbedarf eben bei jedem Kind ganz individuell ist. Was sich zunächst einmal positiv anhört, bedeutet aber für den Betreuungsanspruch, den die Familie laut Schwerbehindertenrecht zusteht, einen gravierenden Nachteil: „Nur wenn wir einen Integrationsbegleiter für den Unterricht in Anspruch nehmen würden, hätten wir im Freizeitbereich Anspruch auf eine bezahlte Unterstützung bei der Betreuung über die so genannte ‚Verhinderungspflege‘ hinaus,“ so Natalija Gbür.

Was dies für sie als Familie mit einem behinderten Kind bedeutet, macht sie an folgender Aufrechnung deutlich: „Nimmt man alle Ferien- und Feiertage sowie die Zeiten, in denen wegen Konferenzen oder beweglichen, freien Tagen kein Unterricht stattfindet, zusammen, kommt man auf rund 14 Wochen im Jahr.  In dieser Zeit müssen mein Mann und ich die Betreuung organisieren, während er Voll- und ich in Teilzeit arbeite“.

Daher möchte Natalija Gbür gern Eltern und natürlich auch Alleinerziehende finden, die sich in einer ähnlichen Situation befinden: „Doch leider wird von ‚offizieller Stelle‘ weder erfasst, wie viele Kinder mit einer geistigen Beeinträchtigung an einem Ort wohnen, noch findet man irgendwo alle Informationen zusammengestellt, die zuständigkeitsübergreifend auflisten, welche finanziellen Hilfen oder auch Hilfsmittel einem zustehen, oder wo man die genau beantragt“, bringt Natalija Gbür auf den Punkt, mit welchen Unwägbarkeiten Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen konfrontiert sind.

Vor Kurzem hat sie daher auf einer lokalen Facebook-Seite nach Eltern in Erkrath und Umgebung gesucht, die zusammen mit ihr eine Gruppe gründen möchten, in der ihre Kids gemeinsame Freizeitaktivitäten unternehmen können. „Mich haben nach auf meinen Post hin sieben Personen angeschrieben“, berichtet Natalija Gbür. Unterstützung bei der Organisation hat die engagierte Mutter bei Bernd Goebel gefunden. Er leitet bei der „Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Mettmann e. V.“ den Bereich „Familienunterstützende Dienste im Freizeitbereich“. Er würde sich freuen, Familie Gbür bei ihrem Vorhaben zu unterstützen und freut sich auf weitere Anfragen.

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