Erkrath Tafel: Wenn's Geld vorne und hinten nicht reicht

Erkrath · 859 Menschen bekommen Lebensmittel, die Discounter zum Null-Tarif abgeben. Die Zahl der bedürftigen Rentner wächst immer weiter.

 Gesundes von der Tafel: Ohne sie wäre der Tisch Bedürftiger weit weniger abwechslungsreich gedeckt.

Gesundes von der Tafel: Ohne sie wäre der Tisch Bedürftiger weit weniger abwechslungsreich gedeckt.

Foto: Ralph Matzerath

Armut in Erkrath? - Es gibt sie. In 584 Haushalten reicht die normale Rente nicht zum Leben. Sie muss durch die so genannte Grundsicherung im Alter aufgestockt werden. Für einen Haushalt mit zwei Personen bleiben dann rund 700 Euro im Monat plus Miete und Heizung. 2211 Familien leben von Hartz IV, das sind 4559 von rund 46 000 Einwohnern. Die Eltern von 196 Kindern sind nicht in der Lage, vom eigenen Verdienst Ausflüge, Mittagessen, Klassenfahrten oder Lernförderung zu zahlen.

Beate Wirth von der Tafel in Erkrath kennt die Armen, die wöchentlich an die Schmiedestraße kommen und in der ehemaligen Schule für einen Euro Lebensmittel abholen. Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (nicht das Verfallsdatum) abgelaufen ist, Kuchen und Brot vom Vortag, Salat, der nicht mehr so knackig aussieht, wie der Normalkonsument es erwartet. 404 Familien mit 220 Kindern ernähren sich so. Die Hartz IV-Empfänger sind mit 60 Prozent die größte Gruppe. Beate Wirth ist froh, dass sie den Menschen dieses Angebot machen kann und dass die Discounter in Erkrath mit der Tafel so gut kooperieren. "Gäbe es uns nicht, müssten viele hungern", sagt sie. Die Zahl der Bedürftigen in Erkrath steigt, besonders die der Rentner. Sie sind mittlerweile die zweitgrößte Abnehmergruppe der Tafel.

Als sie 2001 ins Leben gerufen wurde, kamen pro Woche 70 Bedürftige mit einem Berechtigungsschein. Heute sind es insgesamt 859 registrierte Abholer. Es sind sogar Studenten darunter und junge Leute in der Ausbildung, deren Einkommen nicht zum Leben reicht. Außerdem kommen chronisch Kranke, deren Beihilfe gering ist, Alleinerziehende, die für mehrere Kinder sorgen müssen. Die Hälfte der Bedürftigen haben einen Migrationshintergrund.

Die Tafel vollbringt zweimal in der Woche logistische Meisterleistungen, damit alle Bedürftigen mit einer gefüllten Tasche nach Hause gehen. Sie werden nach Buchstaben in Gruppen eingeteilt und müssen nicht länger als eine Viertelstunde anstehen. "Es kommen heute viele, die sich früher nicht getraut haben, weil sie sich schämten", sagt Wirth. "Das ist zum Glück anders geworden." Aber es gibt sie immer noch, die Zögerlichen, die lange mit dem Gang an die Schmiedestraße warten, besonders deutsche Rentnerinnen fallen darunter. Eine Dame, über 60, sei schon ganz mager gewesen, als sie sich endlich zur Tafel traute, erzählt Wirth. Die Dame und ihr Mann seien beide arbeitslos, die Kosten für die Wohnung liefen weiter, das Geld reiche nicht für eine ordentliche Ernährung. "Wenn dann noch eine Zahnarztrechnung kommt, bleibt nicht mehr genug Geld für Lebensmittel übrig", weiß Wirth.

"Die Hilfsbereitschaft der Erkrather ist groß - wenn man die Menschen anspricht", sagt Wirth. "Die Kooperation mit hiesigen Läden läuft gut." Der Wirtschaftskreis helfe beim Renovieren der Räume an der Schmiedestraße. Und immer vor Weihnachten steige die Spendenbereitschaft enorm. Wirth erzählt gerührt von einen Bürger, der schon seit Jahren immer vor dem Fest regelmäßig haltbare Lebensmittel für 100 Euro samt Quittung bei der Tafel vorbeibringt. Schultaschen für Kinder werden regelmäßig gespendet, und beim Sommerfest werden ordentlich Lose verkauft, das letzte Mal für 650 Euro.

Für 45 aktive Mitglieder der Tafel, die zweimal in der Woche bei der Essensausgabe dabei sind, ist Armut hautnah spürbar. 90 passive Mitglieder sorgen für den finanziellen Hintergrund.

(RP)
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