Erkrath Ihr Glaube trägt sie durch schwere Zeiten

Erkrath · Carola Engel ist seit wenigen Wochen Seelsorgerin im Hochdahler Hospiz. Dort möchte sie den Gästen den letzten Weg leichter machen. Dazu gehört auch das miteinander Lachen.

Jahrelang hat sie sich um den Körper gekümmert. Nun kümmert sie sich um die Seele. Obwohl Carola Engel aus eigener Erfahrung weiß: "Körper und Seele sind eins." Bevor sie vor ein paar Wochen ihre neue Stelle als Seelsorgerin im Hochdahler Hospiz angetreten hat, war die Solingerin dort mehr als fünf Jahre in der Pflege beschäftigt. "Man ist dabei sehr nah dran an den Menschen", spricht sie über ihre Erfahrungen, die sie mit den Hospizgästen machen durfte.

Jemanden zu pflegen und medizinisch zu versorgen, bedeutet im Hospiz eben nicht nur, ihm alles Notwendige zuteil werden zu lassen. Denn all das geschieht vor dem Hintergrund, dass nicht mehr viel Lebenszeit bleibt. Der letzte Tag ist immer nah, die letzten Dinge wollen gesagt und gehört werden. Deshalb ist es eigentlich auch immer schon ein Stück Seelsorge, das die Hospizpflegekräfte leisten.

Als Carola Engel gespürt hat, dass ihr eigener Körper an Belastungsgrenzen angelangt war, wollte sie sich umorientieren. Im Hospiz war die Seelsorgestelle frei geworden: Sie bewarb sich - obwohl sie wusste, dass sie ohne Theologiestudium eigentlich kaum eine Chance hatte. Im Hospiz jedoch war man von ihren Qualitäten überzeugt und sie bekam den Job. Sie selbst würde sagen: "Gott hat es so gewollt". Denn ihr Glaube, den sie in einer freikirchlichen Gemeinde lebt, hat sie schon durch schwierige Zeiten getragen.

Dabei denkt sie vor allem an ihre schwere Krankheit vor einigen Jahren, die sie an den Rand des Todes gebracht hat. "Eine komplizierte Operation, von der ich nicht wusste, ob ich sie überleben würde, war damals der einzige Weg", erinnert sich Carola Engel an die Wochen und Monate, in denen sie zwischen Leben und Tod schwebte. Noch heute sieht sie sich mit extremen Schmerzen in Krankenhausfluren liegen. Die Schmerzmittel schlugen nicht an, sie fühlte sich verloren und oft dem Tod näher als dem Leben. Ihr Testament hatte sie geschrieben, die Details für die Beerdigung waren besprochen. "Als ich all das dann doch überlebt hatte, habe ich im Leben die Orientierung verloren", erinnert sich die 54-Jährige. Sie stand in Geschäften voller Kleidung und wusste nicht mehr, was ihr gefällt. Viele Prioritäten hatten sich verschoben, sie musste sich gänzlich neu orientieren.

Was ihr in der schweren Zeit geholfen hat? Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: "Ich bin ein Beziehungsmensch", stellt Carola Engel das Miteinander in den Mittelpunkt. Denn vor allem der Ehemann, die Freunde und die Gemeinde haben ihr damals Halt gegeben. Auch wenn es ihr vergönnt gewesen sei, ihr Leben noch weiterleben zu können, so kann sie sich dennoch gut einfühlen in die Seelennöte der Hospizgäste, von denen die meisten ihr Lebensende nah vor Augen haben. "Die Seele kommt oft nicht hinterher, wenn der Körper schnell verfällt", weiß Carola Engel. Sie selbst hat die Ohnmacht erfahren, die eine schwere Erkrankung mit sich bringt. Und sie weiß auch, dass es Zeiten geben kann, in denen einen sogar der Glaube verlässt.

In Tränen aufgelöst und tiefster Verzweiflung hat sie im Gottesdienst gesessen und sich dennoch verlassen gefühlt. Es sind diese Grenzerfahrungen, die sie nun mitnimmt auf dem Weg in ihre Arbeit als Seelsorgerin. Und die es ihr möglich machen, irgendwo im Leben der Anderen einen Anknüpfungspunkt zu finden. Das sei nicht immer leicht und oft seien es Kleinigkeiten, die an der Schwelle des Todes an Bedeutung gewinnen. Ein Bild auf dem Tisch, ein Kreuz neben dem Bett, ein paar daher gesagte Worte: All das kann den Weg zu einem intensiven Gespräch ebnen. "Manchmal sprechen wir nur fünf oder zehn Minuten, aber die sind sehr intensiv", weiß Carola Engel aus der Erfahrung mit den Hospizgästen, dass Zeit eine andere Bedeutung bekommt, wenn einem nicht mehr viel davon bleibt.

Dass Patienten von ihrem Arzt gesagt bekommen, man könne nichts mehr für sie tun, kann sie nicht verstehen. Denn auch wenn man als austherapiert gelte, sei das Leben noch längst nicht zu Ende. Den Tagen mehr Leben geben, anstatt dem Leben mehr Tage: Dass ist im Hospiz mehr als eine Floskel. "Wir lachen hier auch noch miteinander", berichtet die Seelsorgerin von ihrem Alltag, in dem sich längst nicht alles um den Tod dreht.

Sie selbst fürchtet ihn übrigens nicht. "Das Sterben macht mir mehr Angst", gesteht sie. Dabei sei es vor allem die Unberechenbarkeit der Todesumstände, von der sie weiß, dass sie manchmal einfach hingenommen werden müssen. Das Hospiz jedoch sei ein Ort, an dem vieles getan werden kann, um den letzten Weg leichter zu machen. Und dazu will sie als Seelsorgerin betragen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort