Zweiter Prozesstag Erkrather weist Spionage-Vorwurf für russischen Geheimdienst zurück

Düsseldorf · Ein ehemaliger Bundeswehr-Reserveoffizier ist angeklagt, seit Jahren für den russischen Geheimdienst spioniert zu haben. Doch der weist jegliche Vorwürfe zurück. Er habe lediglich aus Sympathie für Russland gehandelt.

Der Angeklagte steht mit seinem Verteidiger Christopher Hilgert vor Beginn des Prozesses im Gerichtssaal.

Der Angeklagte steht mit seinem Verteidiger Christopher Hilgert vor Beginn des Prozesses im Gerichtssaal.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Hat ein Bundeswehr-Reserveoffizier aus Erkrath für den russischen Geheimdienst spioniert? Am zweiten Verhandlungstag vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat der Angeklagte diesen Vorwurf jetzt energisch zurückgewiesen. Sein Rechtsanwalt will einen Freispruch erreichen. Er betont, Ralph G. habe die Kontakte mit Russen „aus lauteren Absichten“ gepflegt. Es sei ihm allein um Völkerfreundschaft, Wissensaustausch und die wirtschaftliche Zusammenarbeit gegangen.

Der langjährige Vertriebsleiter einer US-Firma mit Sitz in Erkrath schilderte eindringlich die Auswirkungen der Ermittlungen gegen ihn, insbesondere die überraschende Hausdurchsuchung: Er habe seinen Arbeitsplatz verloren, die Bundeswehr habe seine Reservistenkarriere abrupt beendet und seine Frau befinde sich seitdem in psychiatrischer Behandlung.

Die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft gegen den 65-Jährigen wiegen allerdings schwer: Er habe seit 2014 für den russischen Militärgeheimdienst GRU gearbeitet und seine zivile und militärische Position genutzt, um für Moskau relevante Informationen weiterzugeben. Es sei auch um die inzwischen gestoppte Gas-Pipeline Nordstream 2 gegangen.

Der Angeklagte habe keinerlei Gegenleistung von russischer Seite erhalten, hatte Bundesanwalt Gerd Kaiser bereits am ersten Verhandlungstag mitgeteilt. Er habe offenbar aus Sympathie für Russland gehandelt. G., der in Cambridge und Bremen studiert hatte, schilderte am Donnerstag ausführlich seine jahrzehntelange berufliche Tätigkeit. Sie habe ihn, beginnend bei einer britischen Reederei in Hongkong, auch nach Saudi-Arabien und Israel geführt. Als Manager für das Erkrather Unternehmen, das Präzisionsanlagen zum Auftragen von Klebstoffen, Dichtstoffen und Beschichtungen herstellt und vertreibt, sei er für Russland, die Ukraine und das Baltikum zuständig gewesen. So habe er häufig in diese Regionen reisen müssen. Als stellvertretender Vorsitzender der Reservistenkameradschaft Ratingen und Beauftragter für Sicherheitspolitik des Reservistenverbandes habe er diese Erfahrungen gern in Vorträgen geteilt und seine Erkenntnisse auch bei der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf im Außenwirtschaftsausschuss eingebracht.

Die engen Beziehungen zu Russland basierten nach Angaben von Ralph G. auf der ehrenamtlichen Arbeit für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Über die Pflege deutscher Soldatengräber in Kaliningrad, früher Königsberg, habe er in einem Museum seine heutige Ehefrau kennengelernt. Das erklärt Berichte in russischen Medien, die an dem Prozess sehr interessiert sind – soll dieser doch zeigen, wie im Westen mit unbescholtenen Bürgern umgegangen werde. So rief die Zeitung „Kommersant“ zu Hause bei G. an und schrieb, „eine Frau mit osteuropäischem Akzent“ habe abgehoben, aber ein Gespräch verweigert. Seine Frau könne nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, sagte Ralph G. jetzt, „weil sie als Teil eines Netzwerks von Putin-Gegnern bei der Einreise mit einer sofortigen Verhaftung rechnen muss“.

Als Oberstleutnant der Reserve ist G. stellvertretender Leiter des Kreisverbindungskommandos Ennepe-Ruhr, das vor allem im Katastrophenfall für die zivil-militärische Zusammenarbeit zuständig ist. Seine Verteidigung stellte jetzt auch infrage, ob er aus dieser Position heraus überhaupt nennenswerte Informationen an Moskau hätte weitergeben können. G. bezeichnete sich selbst als Seiteneinsteiger bei der Bundeswehr, er habe keinerlei Erfahrungen als Truppenoffizier und sei allein wegen seiner zivilberuflichen Kenntnisse in diese Stellung gelangt.

Die Bundesanwaltschaft sieht in ihm dagegen einen „geführten Agenten“, der aktiv Informationen über die Bundeswehr weitergeleitet hat - zu Führungspersonal, Arbeitsabläufen und Stützpunkten sowie über den Reservistenverband und das Technische Hilfswerk. Unter anderem habe der Erkrather private Kontaktdaten von hochrangigen Angehörigen der Bundeswehr und aus der Wirtschaft weitergegeben.

Der 65-Jährige bestreit die Verbindungen nicht, darunter zum russischen Verteidigungsattaché in Berlin. Er habe aber nicht gewusst, dass diese Leute im Dienst des russischen Geheimdienstes gestanden hätten. Auch den lebhaften Austausch über E-Mails leugnet er nicht. Deren Inhalt ist öffentlich nicht bekannt. Darauf scheinen sich indes wesentliche Teile der Anklage zu stützen. G.‘s Rechtsanwalt geht es dagegen um das „Rollenverständnis“ seinen Mandaten. Er habe sich bei seinen Kontakten nicht als Reserveoffizier gesehen.

Der Prozess wird fortgesetzt. Ein Urteil wird im Dezember erwartet.

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