Hochwassereinsatz 2021 „Mir sind mehr als einmal Tränen gekommen“

Erkrath · Die Starkregen-Kastrophen waren auch für gestandene Feuerwehrleute ein einschneidendes Erlebnis. „So viel Wasser auf einmal haben wir hier noch nie gesehen“, sagt einer von ihnen, der am 14. Juli 14 Stunden lang im Einsatz war.

Erkrath: Feuerwehrmann berichtet über Jahrtausendhochwasser 2021
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Eine Stadt unter Wasser

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Foto: Markus Steinacker

Die Katatrophen von 2021 kann nicht vergessen, wer dabei war, dabei sein musste. Vieles, was bis dahin in Erkrath unvorstellbar war, ist bittere Realität geworden. Innerhalb weniger Starkregenstunden hatte stetig steigendes Wasser das Stadtbild verändert, harmlose Flüsschen in reißende Gewässer verwandelt, die über die Ufer in die Straßen drängten. Einer der ersten Zeugen dieser teils dramatischen Veränderungen war Markus Steinacker, Vize-Leiter der Feuerwehr Erkrath.

In der Flutnacht war er im Einsatzführungsdienst und um 1.47 Uhr zur Stelle, als die Wehr zum ersten wasserbedingten Einsatz in die Freiheitstraße gerufen wurde. In der dortigen städtischen Unterkunft hatte sich der Dauerregen durch das Dach gearbeitet und einen Kurzschluss verursacht, woraufhin die Brandmeldeanlage anschlug. In der Straße stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu viel Wasser. Aber das sollte sich im Laufe der Nacht noch mächtig hochschaukeln.

„Es regnete schon sehr stark. Im Bereich Bachstraße/Neanderstraße hatte sich bereits Wasser gestaut und wir mussten absperren und die Kanaleinläufe öffnen, damit Wasser ablaufen konnte“, erinnert sich Markus Steinacker. In der als neuralgischer Punkt schon bekannten Gink, wo Stinderbach und Hubbelrather Bach zusammenlaufen, sei ihm das Wasser dann schon in gewaltiger Menge entgegengekommen. „Mein erster Gedanke war: Du musst versuchen, die Anwohner zu wecken, bevor das Wasser in die Häuser läuft.“ Daraufhin ließ Steinacker sein Martinshorn aufheulen. Unterstützung aus den Nachbarstädten hatte er da längst alarmiert, weil parallel auch schon die gesamte Erkrather Wehr im Hochwassereinsatz war. Es ging Schlag auf Schlag, das Telefon stand nicht mehr still.

Weil schnell klar war, dass die Helfer mit dem an mehr und mehr Adressen nötigen Abpumpen von eindringendem Wasser in absehbarer Zeit nicht mehr nachkommen würden, fasste Einsatzleiter Steinacker den Entschluss, „auf Verteidigung umzustellen“ – sprich das Pumpen vorerst sein zu lassen und die noch nicht betroffenen, aber akut bedrohten Siedlungen vor dem anschwellenden Wasser zu schützen. Eine andere Strategie habe besonders die extreme Situation auf der gefluteten Morper Allee gar nicht zugelassen.

Sandsäcke mussten her, so viele und so schnell wie möglich, eilig gefüllt mit Lkw-weise herangeschafftem Wülfrather Sand in einer von der Ratinger Feuerwehr errichteten Spezialstation am Bernsauplatz. „Ich hatte keine Erfahrung damit, Plätze für eine Sandsackfüllstation festzulegen“, erinnert sich Steinacker. Der Handlungsdruck war enorm, an allen Ecken und Enden wurde Hilfe nachgefragt, wurden Säcke zu Wällen geschichtet. Später musste auch die Sandsackstation geräumt werden, weil es die Düssel am Bernsauplatz mit Macht über die Ufer trieb.

Für keinen der Helfer gab es eine ruhige Minute, alle hätten bis zur Erschöpfung gearbeitet, weit über das übliche Maß hinaus. Erst gegen 16 Uhr ließ Steinacker sich ablösen, da war er bereits 14 Stunden im Dauereinsatz. An Ruhe oder gar an Schlaf war kaum zu denken, denn es regnete weiterhin stark und dazu klingelte nahezu unausgesetzt das Telefon, da Steinacker auch Pressesprecher der Feuerwehr Erkrath ist. Schon gegen 20 Uhr fuhr er gemeinsam mit Feuerwehrchef Guido Vogt wieder los zur Morper Allee, wo die Situation zu diesem Zeitpunkt noch viel extremer als am Morgen war. „Ich hätte im Traum nicht daran gedacht, dass ich einmal so viel Wasser in Erkrath sehen würde, an Orten, wo noch nie zuvor solche Wassermengen waren. Und dass wir einmal Menschen mit Booten aus der Mühlenstraße holen müssen. Ich bin Erkrather und kenne viele Leute aus der Siedlung, und es gab da viele Verzweifelte. Damit muss man umgehen können“, erzählt Steinacker.

Er kann das Erlebte wegstecken, aber die Dimensionen haben ihn doch erschüttert, wirken nach. Für alle sei es ein herausfordernder Einsatz gewesen, hart an der Grenze zur Überforderung. Und die Aussicht, solchen Ereignissen erneut, künftig womöglich sogar häufiger ausgesetzt zu sein, setze auch Hartgesottenen zu. „Das macht mir Angst. Ich möchte so etwas nicht noch einmal erleben. “

Gut eine Woche nach dem Starkregen war die Feuerwehr immer noch mit dem Hochwasser beschäftigt, pumpte Keller aus, reinigte Straßen. Bereits am 19. Juli rückte Steinacker dann mit weiteren Einsatzkräften aus Erkrath und dem Kreis Mettmann mit einer Bereitschaft der Bezirksregierung Düsseldorf nach Euskirchen aus, wo sich ein noch ungleich dramatischeres Hochwasser ereignet hatte. Zu Steinackers Aufgaben dort gehörte es, evakuierten Bürgern so schonend wir möglich beizubringen, dass ihr gesamtes Hab und Gut verloren ist. Keine leichte Sache. „Mir sind mehr als einmal die Tränen gekommen“, sagt der gestandene Helfer und Familienvater, der in der Feuerwehr groß geworden und jetzt Mitte 50 ist.

 Land unter: Die Mühlenstraße war zur Wasserstraße geworden, ihre Bewohner mussten später mit Booten evakuiert werden.

Land unter: Die Mühlenstraße war zur Wasserstraße geworden, ihre Bewohner mussten später mit Booten evakuiert werden.

Foto: Markus Steinacker
 Erkrather Markus Steinacker ist in der Feuerwehr groß geworden.

Erkrather Markus Steinacker ist in der Feuerwehr groß geworden.

Foto: Markus Steinacker

Im positiven Sinne berührt hat ihn die große Unterstützung der Erkrather Bürger, die ihre Feuerwehr in der Hochwasserzeit mit Kaffee, Kuchen und weiterer Verpflegung versorgte. „Ich erzähle das oft und gerne. Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut. Das war einfach überwältigend“, sagt Markus Steinacker.

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