Erkrath "Das Neandertal ist zum Tatort geworden"

Erkrath · Der Geschäftsführer des Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertal, Wolf Stieglitz, erhebt schwere Vorwürfe gegen den Kreis Mettmann. Nach Ansicht des Erkrathers wurden bei dem Kahlschlag Naturschutzgesetze missachtet.

Wolf Stieglitz zeigt auf den Nieswurz im Neandertal, der durch den Kahlschlag gefährdet ist.

Wolf Stieglitz zeigt auf den Nieswurz im Neandertal, der durch den Kahlschlag gefährdet ist.

Foto: Dietrich Janicki

Neue Ausblicke im Neandertal? Da kann Wolf Stieglitz nur den Kopf schütteln. Für den Erkrather Naturschützer ist das Neandertal zum "Tatort" geworden. Er ist einer, der es wissen muss: Als Geschäftsführer des renommierten Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertal, ist Stieglitz ein anerkannter Fachmann, wenn es um Flora und Fauna geht. Seit mehr als 40 Jahren ist er im Kreis Mettmann unterwegs. Kleiner Storchschnabel, Vogelnestwurz, Grüne Nieswurz: Allesamt ausgesprochen seltene Pflanzenarten, denen Wolf Stieglitz auf die Spur gekommen ist.

"Einer der wenigen Standorte der Nieswurz ist auf dem Gebiet des jetzigen Kahlschlags", weiß er. Dass das vermutlich nicht mehr lange so sein wird, weiß er auch: "Die Pflanze steht auf der roten Liste der in NRW bedrohten Arten und braucht Schatten. Den gibt es dort jetzt nicht mehr, deshalb wird die Nieswurz bald verschwunden sein." Seiner Ansicht nach hätte man all das bei der Unteren Landschaftsbehörde wissen müssen. Denn auch dort säßen Experten, die sich eigentlich mit den Gegebenheiten im Neandertal auskennen müssten.

Dass es dort keine Verstöße gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen gegeben haben soll, wie von Planungsamtsleiter Georg Görtz bei einem kürzlich anberaumten Orttermin gesagt wurde, kann er nicht glauben. Bundesnaturschutzgesetz, Artenschutzgesetz, europaweite FFH-Richtlinien: Wolf Stieglitz zählt nur einige der Gesetzeswerke auf, in denen Naturschutzbelange geregelt werden. Die immer wieder angeführte Verkehrssicherungspflicht, auf die sich der Kreis Mettmann beruft, hält er für ein "Totschlagsargument". Schließlich könne man für keinen der vielen Bäume im Tal ausschließen, dass er irgendwann umkippt. "Dann müsste auch an der Straße vom Museum nach Hochdahl alles gefällt werden", glaubt er.

Dass der Kreis Mettmann sich einfach über gesetzliche Regelungen hinwegsetzt und im Vorfeld noch nicht mal die Faunistisch-Floristische Arbeitsgemeinschaft (FauFlo) als Pächter in die Pläne einbezogen habe, kann Wolf Stieglitz nicht nachvollziehen. Das angeblich existierende Gutachten der Biostation Haus Bürgel zieht er in Zweifel. "Die Biostation hat offensichtlich aufgrund mangelnder Geländekenntnis keine ordnungsgemäßen Vorlagen geliefert." Und er geht sogar noch weiter: "Die Untere Landschaftsbehörde ist als Naturschutzbehörde dem Amt für Wirtschaftsförderung unterstellt. Das hat für mich ein Geschmäckle."

Um die Angelegenheit klären zu lassen, hat sich Wolf Stieglitz mit einem Brief an NRW-Umweltminister Johannes Remmel gewandt. Der wiederum hat nun reagiert und eine Mitarbeiterin des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) zum vermeintlichen "Tatort" im Neandertal geschickt.

Die landeseigene Naturschutzbehörde soll sich der Sache annehmen und klären, ob der Kreis Mettmann für naturschutzrechtliche Verstöße in die Pflicht genommen werden kann. "Das Tor zum Neandertal hat einen Pfosten verloren", schreibt Wolf Stieglitz in seinem Brandbrief ans Ministerium.

Als Geschäftsführer des Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertal zitiert er auch dessen Gründer Carl Fuhlrott mit den Worten: "Der sinnige Naturfreund wird es ohne Zweifel beklagen, das die unaufhaltsam fortschreitende Industrie sich durch die seltenen Reize der kleinen Landschaft von der Zerstörung derselben nicht hat abhalten lassen." Das es nun ausgerechnet auch noch sein spektakulärer Fund des Neandertalers sein sollte, der 150 Jahre später unzählige Touristen ins Tal ziehen wird, konnte der Naturforscher Fuhlroth damals wohl kaum erahnen.

(magu)
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