Erkrath Baugruppe macht weiter – nur anders

Das Tauziehen um die alte Realschule Schmiedestraße soll ein Ende haben: Die Stadt will der Bürger-Baugruppe jetzt ein anderes Grundstück zur Verfügung stellen. Die Politik muss noch zustimmen.

 Auf einem Nachbargelände der Schule soll jetzt ein Wohngebäude mit vorgesetzten Stahlkonstruktionen in Form von Türmen entstehen. Ihre Anordnung ermöglicht jeder Wohnung (auf der Sizze farbig markiert) eine unverstellte Ausrichtung nach Süden.

Auf einem Nachbargelände der Schule soll jetzt ein Wohngebäude mit vorgesetzten Stahlkonstruktionen in Form von Türmen entstehen. Ihre Anordnung ermöglicht jeder Wohnung (auf der Sizze farbig markiert) eine unverstellte Ausrichtung nach Süden.

Foto: Wolfgang Teiwes

Eigentlich war schon ganz lange entschieden, dass die Bürger-Baugruppe Dependance um den Erkrather Architekten Wolfgang Teiwes die alte Realschule Schmiedestraße in Millrath kaufen, entkernen und das Stahlbeton-Skelett mit barrierefreien Wohneinheiten in Modulbauweise füllen kann. Die Stadt hätte nur noch den dazu nötigen Vertrag vorlegen müssen.

Aber dann brannte die Grundschule Sandheide ab und die alte Realschule wurde für die Stadt plötzlich wieder interessant – zunächst als mehrjähriger Übergangsstandort bis zum Neubau der Grundschule, später auch darüber hinaus zu möglicher weiterer, noch nicht festgelegter Nutzung. Die mit ihren Vorbereitungen schon weit vorangeschrittene Baugruppe zog daraufhin alle Register, erinnerte an den politischen Beschluss zu ihren Gunsten und die Politik sprang ihr erneut bei, allein: Die Gruppenmitglieder sind fast alle im fortgeschrittenen Alter und können nicht mehr jahrelang warten, bis bzw. ob die Realschule wieder für sie verfügbar sein wird.

Sie wollen in der Mehrheit zu groß gewordene Häuser freimachen und in barrierefreie, umweltfreundliche, energieeffiziente Wohnungen ziehen, mit Aufzug im Haus und Car-Sharing-Konzept. Die ressourcenschonende Umnutzung eines bestehenden Gebäudes ohne weitere Flächenversiegelung wurde dabei nicht etwa mangels Alternativen in Kauf genommen, sondern von den Initiatoren ganz bewusst und als Leuchtturmprojekt für Erkrath angestrebt. Längst haben die Bürger um Wolfgang Teiwes zu diesem Zweck eine Genossenschaft (Wohngenossenschaft Dependance Erkrath) gegründet, so dass die Hälfte des geförderten Wohnraums, der entstehen soll, von wirtschaftlich weniger gut gestellten Interessenten mit Wohnberechtigungsschein bezogen werden kann, mit einer Mietbegrenzung auf derzeit 6,90 Euro pro Quadratmeter bei einer einmaligen Einlage von 500 Euro in den Genossenschaftstopf. Um mit ihrem Wohnmodell doch noch zum Zuge zu kommen, hat die Gruppe der Stadt schließlich vorgeschlagen, auf ein Nachbargrundstück der Schule auszuweichen.

Dieses 3000 Quadratmeter große Gelände ist derzeit noch eine Wiese, nördlich von einem gepflasterten Fußweg zwischen Bergstraße und Winckelmannstraße begrenzt und mit etwa 15 Metern Abstand zum Schulgebäude. Das geplante Gebäude gliedert sich in drei Geschosse, auch das Kellergeschoss auf der Hangseite des Grundstücks soll für Wohnnutzung geöffnet werden. Vorgesehen sind 21 Wohneinheiten zwischen 50 und 100 Quadratmeter, die sich an den Größenvorgaben aus dem öffentlich geförderten Wohnungsbau orientieren.

Müsse dafür auch eine Freifläche versiegelt werden, so wolle die Gruppe zumindest an ihren drei Eckpfeilern Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Nachhaltigkeit festhalten, sagt Architekt Wolfgang Teiwes, und erläutert: „Der Vorschlag der Planer sieht den Einsatz eines für unsere Region noch selten praktizierten Bausystems mit einem hohen Anteil von Holz in vorfabrizierten Modulen vor. Solche Bauprozesse gewinnen auch im Geschosswohnungsbau zunehmend an Bedeutung, weil die Verarbeitung von Holz und sein Einsatz im Hochbau in besonderer Weise den heutigen Anforderungen an den Klimaschutz gerecht wird. Durch Speicherung und Substitutionseffekte kann das verarbeitete Holz Tonnen von CO2 einsparen, was die intensiven Werkstoffe Beton und Stahl kompensiert, so dass im Ergebnis ein CO2 neutrales Gebäude entsteht.“

Das Konzept für die Anordnung des Gebäudes und seiner Wohneinheiten ist schon so gut wie abgeschlossen. Ein Keller aus Stahlbeton bildet gewissermaßen den Tisch, auf dem die Module links und rechts des konstruktiven Rückrats (Eingang, Treppenraum und Aufzug) angeordnet werden. Wesentliche äußere Gestaltungselemente sind vorgesetzte Stahlkonstuktionen, die als Türme pro Einheit einen Außenbereich/Terrasse von vier mal vier Metern bilden. Diese drei- oder viergeschossigen Türme sind ebenfalls vorgefertigt und sollen mit einer mit Fotovoltaik bestückten Überdachung und Brüstungen versehen werden. „Die Anordnung dieser Türme ermöglicht jeder Wohnung eine ungestörte Ausrichtung als Freisitz nach Süden“, so Teiwes.

Es werde eine möglichst autarke Versorgung mit regenerativen Systemen angestrebt. Inwieweit die über das Grundstück verlaufende Fernheizleitung zur Schule Schmiedestraße in dieses Konzept einbezogen werden könne, werde sich durch die weitere Planung ergeben. Eine Begrünung der Flachdächer von Gebäude und Carport sei ebenfalls vorgesehen. Es sei davon auszugehen, dass die gemeinsame Nutzung von E-Pkw Stellflächen einspare.

Sämtliche Wohneinheiten werden barrierefrei errichtet. Das bedeutet nicht nur schwellenfreie Nutzungen sowohl der Badezimmer als auch der Übergänge nach draußen (Eingänge/Terrassen) und größere Türöffnungen, sondern auch die Berücksichtigung von möglichen Beschränkungen des Seh-, Greif- und Orientierungsvermögens der Bewohner. Entsprechende bauliche Ausstattungen würden vorgenommen. Als Hilfe könne auf Wunsch eine Smart-Home Lösung zur Bequemlichkeit der Bewohner beitragen.

Für das soziale Zusammenleben ist ein großer Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss vorgesehen. Die auf Selbstverwaltung ausgelegte Wohnorganisation der Genossenschaft setzt den eigenverantwortlichen Umgang der Bewohner mit dem Gebäude und den übrigen Ressourcen voraus. Miet- und Hausordnung werden entsprechend von der Gemeinschaft entwickelt.

Für all das braucht es aber noch einen politischen Grundsatzbeschluss. Der sieht vor, dass der Wohngenossenschaft der für ihr Vorhaben erforderliche Grundstücksteil in Erbpacht zur Verfügung gestellt wird. Das Bauvorhaben soll über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren entwickelt werden, so der Vorschlag der Stadtverwaltung an die Politik, die am kommenden Dienstag entscheidet.

 Von links: Peter Kießler, Karl-Heinz Spieker und Wolfgang Teiwes sind die führenden Köpfe der Wohngenossenschaft Dependance Erkrath.

Von links: Peter Kießler, Karl-Heinz Spieker und Wolfgang Teiwes sind die führenden Köpfe der Wohngenossenschaft Dependance Erkrath.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Und es soll noch weiter gehen: Denn die Baugruppe will sich bei der Stadt ein Vorkaufsrecht für die Realschule Schmiedestraße sichern, um ihr ursprüngliches Projekt eventuell doch noch realisieren zu können.

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