Erkelenz Von unten die Welt verändern

Erkelenz · Horst Köhler, Bundespräsident von 2004 bis 2010, verdeutlichte in einer Rede bei der Kreissparkasse in Erkelenz die Notwendigkeit eines weltweiten Umdenkens und gemeinsamen Handelns.

 Professor Dr. Horst Köhler, Bundespräsident a.D., trug sich in das Goldene Buch der Stadt Erkelenz ein. Über seinen Besuch freuten sich Thomas Pennartz (Kreissparkasse, l.) und Bürgermeister Peter Jansen.

Professor Dr. Horst Köhler, Bundespräsident a.D., trug sich in das Goldene Buch der Stadt Erkelenz ein. Über seinen Besuch freuten sich Thomas Pennartz (Kreissparkasse, l.) und Bürgermeister Peter Jansen.

Foto: Jürgen Laaser

Horst Köhler erklärt erlebbar, wieso sich der Mensch überall auf der Welt für eine gemeinsame Zukunft einsetzen muss, sein Handeln neu ausrichten sowie seinen Umgang mit der Erde ändern muss. In Erkelenz spricht der frühere Bundespräsident als "einfacher Bürger", weil es ihm genau darauf ankommt, dass jeder Mensch über sein Handeln nachdenkt, es wo möglich und nötig ändert. Köhler ist Gastredner der Kreissparkasse Heinsberg und kann 350 Zuhörern erläutern, unter welchen veränderten Bedingungen sich eine Expertengruppe der UNO eine positive Zukunftsentwicklung für die Jahre 2015 bis 2030 vorstellen kann. Auf Einladung von Generalsekretär Ban Ki-Moon arbeitet Horst Köhler darin seit 2012 mit.

Eine zentrale Annahme von Köhler und der Expertengruppe lautet: "Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und ein sozial gerechtes Zusammenleben auf dem Globus sind zur Überlebensbedingung der Menschheit geworden. Und die Schicksale der Staatengemeinschaft haben sich in einem solchen Maße und in einer solchen Geschwindigkeit miteinander verwoben - ökonomisch, ökologisch, sozial und auch moralisch -, dass wir dringend einen Paradigmenwechsel brauchen, der dieser Wirklichkeit endlich auch politisch Rechnung trägt." Eine wichtige Ableitung daraus sei: "Globale Erwärmung, Flüchtlingskrisen, Pandemien, Naturkatastrophen, internationaler Terrorismus, internationale Finanzkrisen ... die großen globalen Probleme sind nur jenseits der Handlungsmacht einzelner Nationalstaaten bearbeitbar. Wir lösen sie entweder gemeinsam, oder wir lösen sie nicht."

Eine Stunde spricht Horst Köhler über die Lage auf der Welt und die notwendigen Veränderungen, dabei immer versuchend, einen Bogen zu den Menschen zu schlagen: "Die globale Transformation wird ganz konkrete Auswirkungen auf jede und jeden von uns haben und muss daher auch von uns allen mitgetragen werden." Und: "Die meisten Konflikte des 21. Jahrhunderts bestehen nicht zwischen ,uns' und ,denen', sondern zwischen uns und unseren Enkeln, zwischen kurzfristigen und langfristigen Interessen."

Armut, Hunger, Korruption, Ressourcenverbrauch. Horst Köhler spricht über die großen Themen, mit denen sich die Expertengruppe der Vereinten Nationen beschäftigt hat und deren Ergebnis, die Post-2015-Agenda, nun in die weitere Verhandlung zwischen den Staaten der UNO geht, um im September 2015 von der Vollversammlung beschlossen zu werden.

Köhler redet zugleich aber konkret über Erkelenz und den Kreis Heinsberg, ganz im Sinne der "gemeinsam" und "von unten" mitgetragenen Transformation: "Wie wir unsere Energiesysteme so umstellen, dass sie die physischen Grenzen des Planeten respektieren und gleichzeitig Wachstum und damit Arbeitsplätze fördern: Was diese Herausforderung in all ihrer, ja brutalen Ambivalenz bedeutet, das ist hier in Erkelenz ganz unvermittelt zu spüren." Eingehend auf den Braunkohlentagebau wird von Köhler später noch einmal ergänzt, als er auf das Mittun jedes Einzelnen beim notwendigen Wandel eingeht: "Diese Zukunftsfähigkeit Deutschlands, Europas und der Welt muss sich eben auch in Erkelenz beweisen. Und damit ist die schwierige und konfliktreiche Frage des Tagebaus in der Region eben auch ein Zeichen für die ganz realen Interessenkonflikte, die dieses Jahrhundert mit sich bringt. Und, ich kann ja nur ahnen, welche Gegensätze und Widersprüche in Erkelenz aufeinanderprallen. Ich habe höchsten Respekt dafür, dass Sie sich hier mit einem konstruktiven Geist diesen Herausforderungen stellen, die an die Substanz unseres menschlichen Zusammenlebens gehen."

Er wünsche sich, dass sich die Kommunen sowie Landkreise und Regionen in die Diskussion zur Entwicklung der neuen globalen Nachhaltigkeitsagenda und deren Umsetzung einmischten. Das zu tun, bedürfe Mut und Hoffnung, aber: "Wenn mich der flüchtige Eindruck nicht täuscht, den ich beim Lesen über den Kreis Heinsberg in Vorbereitung auf diesen Abend gewonnen habe, dann gibt es solche Menschen auch hier." Hier, in Deutschland, Europa und der ganzen Welt seien diese Menschen gefordert: "2015 kann die Weltgemeinschaft beweisen, dass sie endlich verstanden hat, dass wir in ,einer' Welt leben."

Für diesen Appell erhält der frühere Bundespräsident in Erkelenz starken Applaus - um sich anschließend nach Düsseldorf zu begeben, wo er gestern den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten hat.

(RP)
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