Erkelenz Visionen für die Zukunft am Tagebau

Erkelenz · Die Braunkohle wird abgebaut, der Tagebau verfüllt und das Restloch mit Wasser befüllt. So sieht die denkbar einfachste Variante aus, wie mit dem Abbaugebiet zwischen Erkelenz und Jüchen, Titz und Mönchengladbach umgegangen werden könnte.

Der Tagebau Garzweiler im Wandel der Zeit
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Foto: Google Earth

Dies aber ist von den Kommunen nicht gewollt, und deshalb haben sie für diese Woche vier namhafte Planungsbüros und Experten eingeladen, Visionen für ein künftiges Leben am Tagebaurand und mit der Tagebaufolgelandschaft zu entwickeln.

Nicht in Konkurrenz zueinander, sondern miteinander spielen Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Raumsoziologen in Mönchengladbach-Wanlo ihre Ideen durch, wie die in einem informellen Planungsverband zusammengefassten Städte und Gemeinden unterschiedlicher Größe und Betroffenheit sowie unterschiedlicher finanzieller und personeller Möglichkeiten ihre Zukunft am Tagebau Garzweiler gestalten könnten. Nicht sagen werden sie jedoch, dass es so gemacht werden solle, gar so gemacht werden müsse. Darüber zu entscheiden und die Entwicklung zu finanzieren, liegt an den politischen Gremien der Kommunen, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf.

Eindrücke vom Klimacamp
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Foto: dpa, cas tmk

"Wir schreiben an einem Drehbuch und machen jetzt die erste Szene auf", erklärt Barbara Weinthal von der Stadt Mönchengladbach. Der erste Teil des Skriptes, es wird eine Broschüre mit den Ergebnissen der Woche sein, geht anschließend der Kommunalpolitik zu und soll auch in das Braunkohlenplanverfahren einfließen, über das die Bezirksregierung Köln die Entwicklung von Garzweiler II steuert. "Unser Ziel ist es, schnell erste umsetzbare Projekten zu bekommen", sagt Weinthal und ergänzt, dass in dem auf Jahrzehnte ausgelegten Gesamtprozess künftig vieles parallel laufen werde, so auch "das Schreiben an den weiteren Szenen des Drehbuchs zur Zukunft am Tagebau".

Vorstellen können sich die Planer, um das gesamte Gebiet von Garzweiler I und II, somit unter Einbeziehung von Grevenbroich, ein grünes Band zu legen. Ihnen schwebt der "mit 70 Kilometern längste Park Europas" vor, erklärt Verena Brehm, Planerin bei Cityförster aus Hannover. Werde ein solches Band von den vier Kommunen gewünscht, sollte möglichst bald begonnen werden, dieses anzulegen, sagt Martin Thoma von der KLA kiparlandschaftsarchitekten GmbH aus Duisburg: "Mit dieser grünen Infrastruktur erhalten wir die Chancen, schon heute die Dörfer am Tagebaurand zu gestalten. Wir könnten die Immissionsschutzwälle vergrößern, dorthin Rad- und Wanderwege legen, darüber die Dörfer am Tagebau vernetzen und sie dadurch zugleich stärker von diesem abschirmen. Gleichzeitig könnte diese grüne Infrastruktur den künftigen Restsee mit der Niers, Erft und dem Naturpark Schwalm-Nette vernetzen." Solche Maßnahmen seien relativ günstig, schiebt Thoma nach.

Garzweiler II: Kirche in Borschemich wird abgerissen
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Foto: Laaser, J�rgen

Sogar die Restseen der Tagebaue Inden und Hambach einbeziehen, würden Verena Brehm und Rob Kanbier von KuiperCompagnons aus Rotterdam. Denkbar ist für Verena Brehm "ein Kanalsystem, um die Lücken zwischen den Seen und Flüssen zu schließen und dieses mit Wander- und Radrouten zu ergänzen". Kanbier schwebt eher eine Kanal- oder Pipelineverbindung zwischen dem Erkelenzer und Hambacher Restsee vor, in das Turbinen zur Energiegewinnung integriert werden. Im niederländischen Wageningen sei zudem schon damit experimentiert worden, das Wasser eines Sees — ähnlich eines Fernwärmesystems — zur Klimatisierung von Gebäuden zu nutzen. Kanbier: "Ich denke, das zu gestaltende Gebiet sollte auch künftig Energie geben."

Das in der Vision der Stadtplaner entstandene grüne Band um das Tagebaugebiet soll in deren Vorstellung eine unterschiedliche äußere und innere Entwicklung erfahren; die äußere dabei möglichst schnell, zum Nutzen der am Tagebau lebenden Menschen und zur Stärkung der Infrastrukturen von Mönchengladbach, Erkelenz, Titz und Jüchen. Von einem "Gewerbegebiet rund um das Autobahnkreuz Jackerath" spricht Kanbier und einer "verdichteten Gebietsentwicklung am Nordrand". Notwendig für alle Dörfer am Tagebaurand, sei es Wanlo oder Holzweiler, "ist die frühzeitige Gebietsentwicklung aus diesen Orten heraus". Rob Kanbier nimmt Holzweiler als Beispiel: "Das Herz des Ortes muss intensiviert werden, denkbar sind ein Pflegedienst, der Seniorenwohnungen betreut, wie ebenso das Ansiedeln von Büroflächen. Nach außen hin muss, meiner Auffassung nach, aus dem Ort heraus entlang der Straßen Wohnbebauung wachsen, die später bis an den Rand des Sees fortgesetzt werden kann. In den Zwischenräumen stelle ich mir weiteren Grünraum vor. Und ich glaube, dass die Dörfer so überleben können und dass Investoren an so gestalteten Lagen sehr interessiert sind."

NRW von oben
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Für das Innere des grünen Bandes schwebt den Planern Anderes vor. Beispielsweise ein Gebiet zur Förderung von Start-up-Unternehmen, wo sich heute auf vor allem Jüchener Gemeindegebiet das Tagebauloch befindet. "Wir glauben, dass es wichtig ist, mehr zu gestalten als eine platte Landschaft", betont Brehm. "Dieser entstehende Raum kann die Anforderungen und Bedarfe des stark besiedelten Umlands decken, von Aachen, über Köln und die Rhein-Schiene hinauf." Flächen für Freizeit, für neue, verschiedenartige Siedlungen, für Aufforstung, für eine Seilbahn als Nahverkehrsverbindung von Erkelenz, über Holzweiler nach Jüchen und für eine mittige Erhebung, "um von dort aus die Region erfahrbar zu machen", sind Brehm zufolge denkbar und rät dazu, "nach innen etwas Neues", eine "hochwertige Landschaft" zu entwickeln.

All diese denkbaren Entwicklungen kann es nur geben, wenn die Betroffenen einbezogen werden, sagt Dr. Susanne Kost von der Universität Hamburg. Noch bevor die Planer am Montag begannen, hatte die Raumsoziologin Einwohner in der Region befragt und diese zu weiteren Diskussionen nach Wanlo gebeten. "Wir müssen wissen, was die Menschen bewegt, was deren Ideen für die Zukunft sind", sagt Kost. Das zu gestaltende Gebiet dürfe nicht nur von der baulichen und infrastrukturellen Seite betrachtet werden, "sondern auch als Sozialraum". Aufgefallen sei ihr, dass die Niers und das Erinnern an deren Quelle von Bedeutung ist, dass am Nordrand des Gebiets der ÖPNV als Problem gesehen werde wie gleichermaßen die in den Dörfern teilweise wegbrechende Infrastruktur und die dem Tagebau voranschreitenden Pumpenfelder. Die sollten in irgendeiner Weise aus dem Sichtfeld der Bewohner in den Tagebauranddörfern genommen werden.

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