Energie-Experte unterstützt Erkelenzer Initiative „Die Vernichtung der Dörfer muss enden“
Erkelenz · Der Energie-Experte Volker Quaschning unterstützt die Initiative „Menschenrecht vor Bergrecht“, die für den Erhalt von Keyenberg kämpft. Er fordert ein rasches Ende der Kohleverstromung.
Prominente Unterstützer sucht und findet die Gemeinschaft „Menschenrecht vor Bergrecht“, in der neun Familien aus dem geplanten Abbaugebiet Garzweiler II im Erkelenzer Osten ihren Kampf gegen die Bagger und den Braunkohleabbau führen. Die Gemeinschaft, die es auf ein Enteignungsverfahren eines Grundstücks in Keyenberg ankommen lassen will, das bis Ende 2023 vom fortschreitenden Tagebau Garzweiler II geschluckt werden soll, hat mit Volker Quaschning einen weiteren Botschafter für ihre Sache gewinnen können.
Nach Kapitänin Carola Rackete ist der Fachmann auf dem Gebiet der regenerativen Energie die zweite bundesweit bekannte Persönlichkeit, die bei „Menschenrecht vor Bergrecht“ anheuert. „Eine Kohleverstromung über das Jahr 2030 hinaus blockiert die Energiewende und torpediert die Klimaschutzziele“, meint Volker Quaschning. Darum sei es absurd, jetzt noch Dörfer wegzubaggern und damit auch über den Klimawandel die Lebensgrundlagen der jungen Generation zu zerstören.
Volker Quaschning, 1969 in Leonberg (Baden Württemberg) geboren, ist seit 2004 Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin und Sprecher für den Studiengang Regenerative Energien. 2019 gehörte der Diplomingenieur der Elektrotechnik, der 1996 promovierte, zu den Mitinitiatoren von Scientists for Future. Auf seinem Internetportal informiert er über erneuerbare Energien und Klimaschutz. Für ihn steht außer Zweifel, dass in spätestens acht Jahren die Kohleverstromung in Deutschland beendet sein muss, um die Klimaschutzziele zu erreichen, zu denen sich die Bundesrepublik auch international verpflichtet hat. Die Zeiten, in denen das Bergrecht über allem stehe, seien vorbei. Bergrecht vor Menschenrecht sei eine antiquierte Denkweise, die der aktuellen Situation nicht mehr gerecht werde. Das jahrhundertealte Bergrecht, das zu Nazizeiten zugunsten der Bergbautreibenden verschärft und danach nicht mehr geändert wurde, könne nicht als Rechtfertigung für die Fortführung des Braunkohletagebaus und für die Verbrennung von Braunkohle herangeführt werden. Menschenrecht wie der Schutz des Eigentums und der körperlichen Unversehrtheit seien höherrangig, zumal eine Energieversorgung ohne Kohlestrom machbar sei. Spätestens in 15 bis 20 Jahren würden erneuerbare Energien, erzeugt aus Sonne und Wind, in Übermaß zur Verfügung stehen, glaubt der Professor. In spätestens acht Jahren könnten in ausreichendem Maße Gaskraftwerke eventuelle Schwankungen in der Stromversorgung problemlos ausgleichen könnten. Diese Gaskraftwerke könnten danach problemlos umgerüstet werden, um etwa Wasserstoff zu erzeugen.
Quaschning, der einen Besuch der fünf vom Tagebau bedrohten Dörfer im Erkelenzer Osten anpeilt, kennt die Problematik der erzwungenen Umsiedlung aus den Braunkohletagebauen in der Lausitz. „Die Vernichtung der Dörfer muss beendet werden“, sagt er. Die erzwungene Umsiedlung von Keyenberg, Unter- und Oberwestrich, Berverath und Kuckum sei absurd, meint der Professor auch im Hinblick auf ein schwebendes juristisches Verfahren, in dem die Verfassungsmäßigkeit der Klimapolitik der Bundesrepublik angezweifelt wird. Hier durch eine Umsiedlung Fakten zu schaffen, bevor das Bundesverfassungsgericht geurteilt habe, sei unsinnig. Für Quaschning muss es einen absoluten Vorrang für den Ausbau der erneuerbaren Energien geben: „Nur sie sorgen für zukunftsfähige Arbeitsplätze und konsequenten Klimaschutz.“ Dieser Ausbau sei ein weiteres Argument für die Aussage „Menschenrecht vor Bergrecht“.