Tagebau Garzweiler Drei Varianten für die Zukunft der Kohledörfer
Erkelenz · Wie sieht die Zukunft der fünf geretteten Kohledörfer in Erkelenz aus? Mit einem Planungsbüro und einer großen Bürgerbeteiligung will sich die Stadt Erkelenz dazu ein Konzept überlegen. Diese Schritte sind geplant.
Seitdem klar ist, dass die fünf Tagebauranddörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath – in welcher Form auch immer – erhalten bleiben werden, laufen Planspiele und Spekulationen darüber, wie es mit den Orten weitergeht. Nachdem Bürgermeister Stephan Muckel Kostenpflichtiger Inhalt im Interview mit unserer Redaktion bereits angekündigt hatte, jeden Aspekt der Planung gemeinsam mit den Bürgern diskutieren zu wollen, hat er nun in der AG Tagebau einen Fahrplan vorgestellt.
Den Zuschlag für die Planung der von der NRW-Landesregierung ausgerufenen „Revitalisierung“ hat das Planungsbüro Must mit Sitz in Amsterdam und Köln erhalten. „Die Planer sind im Rheinischen Revier keine Unbekannten und haben rund um Garzweiler, Hambach und Inden schon Beiträge mit der Bevölkerung erarbeitet“, erklärte Muckel in der AG Tagebau. Das Büro hat den Auftrag erhalten, drei Zukunftsvarianten für die Dörfer zu entwickeln, die von den Erkelenzern anschließend bewertet werden.
Eine Bürgerbeteiligung soll schließlich zentraler Bestandteil der Zukunftsplanung sein. Diese wird ähnlich zu dem Modell ablaufen, das die Stadt bereits bei der Planung des Marktes im vergangenen Jahr gewählt hatte. Auch hier hatte das Planungsbüro MWM aus Aachen Kostenpflichtiger Inhalt drei Varianten für den Marktplatz erarbeitet, anschließend waren online und per Post tausende Anmerkungen und Wünsche der Bürger bei der Stadt eingegangen, die vom „größten Bürgerbeteiligungsverfahren in der Erkelenzer Stadtgeschichte“ gesprochen hatte. Bürgermeister Muckel sagte: „Wir haben mit diesem Verfahren sehr gute Erfahrungen gemacht.“
Im Gegensatz zum Markt geht es bei den fünf Dörfern allerdings nicht um die bloße Neugestaltung eines Platzes, sondern eine gegebenenfalls komplette Neuplanung von gleich fünf Dörfern – ein in der Umsiedlungsgeschichte einmaliger Vorgang.
Die Zukunftsvarianten sollen sich schwerpunktartig mit den Themen Siedlungsentwicklung, Natur und Freiraum, Infrastruktur und Versorgung sowie Wirtschaft und Nutzungsmöglichkeiten auseinandersetzen, teilt die Stadt mit. Alle Varianten werden Bezüge zu den Planungen des Zweckverbandes Landfolge haben. Zuvor soll das Büro Must die vorhandenen Flächen und Strukturen analysieren.
Interessierte sollten sich vor allem den Donnerstag, 2. Februar 2023, im Kalender anstreichen. Dann soll es in der Stadthalle eine Auftaktveranstaltung geben. Dort werden die erarbeiteten Varianten erstmalig vorgestellt. „Dazu laden wir bewusst die ganze Stadt ein“, erklärte Muckel. „Wir sprechen hier von knapp einem Drittel der Stadtfläche“, so der Bürgermeister, „das sollte auch die Kückhovener, Gerderather und Innenstädter interessieren“.
„Gleichwohl, so Muckel, „sehen wir die besondere Verantwortung für die Menschen in den Alt- und Neuorten.“ Deshalb soll es dort jeweils eigene Workshops geben. Zusätzlich dazu ist eine digitale Beteiligung geplant. Ziel sei es, Ende des zweiten Quartals ein Positionspapier zu veröffentlichen, wie sich die Stadt Erkelenz die Zukunft der fünf Dörfer vorstellt. Etwa im gleichen Zeitraum wird auch die neue Braunkohle-Leitentscheidung der Landesregierung erwartet, die dann auch rechtliche Sicherheit für die Rettung der Dörfer bedeutet.
Über die Finanzierung dieses Konzeptes, für das gewaltige Summen nötig sein werden, gibt es indes noch Klärungsbedarf. „Wir haben eine völlig neue Planungssituation“, sagte Hans-Heiner Gotzen, Erster Beigeordneter der Stadt. Man befinde sich bereits in Gesprächen mit RWE und der Landesregierung. Bis zu einer Einigung sei es aber „noch ein gutes Stück Arbeit“. Stephan Muckel sieht sich in einer guten Verhandlungsposition: „Es ist ja auch ein sozialer Strukturwandel, nicht nur ein wirtschaftlicher. Und alle aktuellen Strukturwandelprogramme haben den jetzt eingetretenen Fall nicht berücksichtigt.“ Man erwarte daher, von der Landesregierung unterstützt zu werden.