Lebenshilfe schließt Werkstätten im Kreis Heinsberg Herausforderung für die Behindertenarbeit

Kreis Heinsberg · Die Corona-Krise belastet auch Einrichtungen der Behindertenhilfe. Werkstattschließungen haben Konsequenzen. Die Lebenshilfe Heinsberg hat ein Soforthilfe-Angebot für allein lebende Behinderte und Familien gestartet.

 DIe Bewohner der Wohnstätte Erkelenz stellen Höhenversteller für Tischbeine jetzt zu Hause am Esstisch her.

DIe Bewohner der Wohnstätte Erkelenz stellen Höhenversteller für Tischbeine jetzt zu Hause am Esstisch her.

Foto: Lebenshilfe Heinsberg

Altenhilfe-Einrichtungen stehen zur Zeit unter besonders hohem Druck, weil sie eine Risikogruppe betreuen. Dass die Anspannung bei den Trägern der Behindertenhilfe ebenfalls hoch ist, gerät da leicht in den Hintergrund. „Die aktuelle Situation führt uns alle an unsere Grenzen“, bestätigt Edgar Johnen, Geschäftsführer der Lebenshilfe Heinsberg, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Lebenshilfe ist im Kreisgebiet Träger von Werkstätten, Kindergärten, Wohn- und Freizeiteinrichtungen sowie vielfältiger ambulanter Hilfsmöglichkeiten für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.

„Dass derzeit alle Werkstätten, Kinderbetreuungseinrichtungen und Treffs geschlossen sind, stellt vor allem für alleinlebende Behinderte und Familien eine besondere Herausforderung dar“, sagt Edgar Johnen. Er spricht von in vielen Fällen extrem belastenden häuslichen Situationen. Etwa in Familien, wo jetzt rund um die Uhr die Betreuung Behinderter erforderlich ist, obwohl Familienmitglieder in Schlüsselfunktionen unabkömmlich sind. Zahlreiche Angehörige seien auch aufgrund ihres Alters oder wegen Erkrankungen nicht in der Lage, die Pflege und Betreuung ihrer erwachsenen Kinder mit Behinderung den ganzen Tag lang und über einen längeren Zeitraum zu leisten. Johnen: „Nehmen Sie etwa die 80-jährige Mutter eines 50-jährigen Behinderten, der zur Zeit nicht in die Werkstatt gehen kann, die ist schlicht überfordert.“

Die Lebenshilfe Heinsberg hat daher ein „Notfall-Soforthilfe“-Projekt gestartet und auch Angestellte aus den derzeit geschlossenen Einrichtungen aufgerufen, sich an einem Hilfsangebot für Wohneinrichtungen und häusliche Unterstützung für Familien und Angehörige zu beteiligen – ein Aufruf, der auch den Partner ViaNobis mit einbezieht. Ein zehnköpfiges Organisationsteam habe diese Nothilfe auf den Weg gebracht. „140 Freiwillige haben sich bislang gemeldet, eine tolle Resonanz“, konstatiert Michael Kleinen, Sprecher der Lebenshilfe. 20 Familien werden so aktuell betreut. Weitere Meldungen Freiwilliger seien willkommen. Kleinen: „Die Hilfe kann jegliche Unterstützung im Alltag umfassen: etwa dringend notwendige Einkäufe, stundenweise Entlastung in der Betreuung oder dringend notwendige Hilfe im Haushalt sowie Unterstützung in der Pflege.“ Wer Hilfe braucht, kann sich weiter im Internet oder per Telefon anmelden.

Den Behinderten in den Wohnstätten die strengen Hygienevorschriften und Besuchsverbote zu begründen, vor allem auch, warum sie derzeit nicht in den Werkstätten arbeiten können, sei nicht einfach, sagt Johnen. Es helfen Informationen in leichter Sprache, Bildplakate, Videos und vor allem das praktische Üben unter Anleitung, wie man sich etwa richtig die Hände wäscht. „Viele unserer Bewohner vermissen sehr die Beschäftigung in den Werkstätten, die für sie eine wichtige Tagesstruktur bedeutet. Wir haben Material aus der Produktion in die Wohnstätten gebracht, damit die Bewohner dort arbeiten können. Und glauben Sie: Die sind ganz glücklich darüber.“

Übrigens ruht der Betrieb in den Werkstätten keineswegs: Nicht behinderte Beschäftigte nähen derzeit fleißig Mundschutze und Schutz-Schals für Wohnstättenbewohner. Rund 2000 Mundschutze wurden schon ausgeliefert. Aber auch die übrige Produktion kann derzeit nicht völlig brachliegen, denn Lieferverpflichtungen sollen so gut es geht eingehalten werden, erläutert Johnen. Aber dem Lebenshilfe-Geschäftsführer ist auch klar: „Es wird finanzielle Einbußen geben, wir sind schließlich auch ein Wirtschaftsbetrieb.“

Johnen und Kleinen sind jedoch froh, dass die Lebenshilfe-Einrichtungen in der Region Heinsberg bislang von Corona-Infektionen verschont blieben. Michael Kleinen hält fest: „Wir sind aber auf eine Änderung dieser Lage vorbereitet und haben vorsorglich in einer der Werkstätten eine Quarantänestation für zwölf Menschen eingerichtet. 30 Mitarbeiter haben sich sogar spontan bereiterklärt, dort für die Behinderten da zu sein, wenn der Notfall eintreten sollte.“ Für die betreuten Familien ist bei Verdacht auf Infektion oder für den Fall einer Erkrankung eine Melde-Hotline eingerichtet worden.

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