Erkelenz Schüler ziehen Politiker in tiefe Debatten

Erkelenz · So intensiv dürften die Kandidaten einer Landtagswahl selten befragt worden sei: Zwölf Politiker saßen in zwölf Klassenräume des Cusanus-Gymnasiums, in die vier Stunden lang alle 30 Minuten neue Schülergruppen kamen, um über Flüchtlings- und Energiepolitik zu diskutieren.

 Jorge Klapproth (FDP, l.) und Jürgen Spenrath (AfD).

Jorge Klapproth (FDP, l.) und Jürgen Spenrath (AfD).

Foto: speen

Aufseiten der Schüler war gestern der Oberstufenjahrgang Q 2 eingeladen, das sogenannte World Café des Cusanus-Gymnasiums zu nutzen, um sich auf die Landtagswahl am 14. Mai vorzubereiten. 270 künftige Erstwähler hatten sich teils sehr tiefgehend auf die beiden Themenfelder vorbereitet. Vonseiten der Politik waren Thomas Schnelle, Bernd Krückel (beide CDU), Ralf Derichs, Christoph Grundmann (beide SPD), Hans Josef Dederichs, Christoph Stolzenberger (beide Grüne), Igor Gvozden, Dominik Goertz (beide Linke), Jorge Klapproth, Stefan Lenzen (beide FDP), Jürgen Spenrath sowie Hans Braun (beide AfD) zu Gast. Moderatoren, die sich aus Schülern des Gymnasiums und Erkelenzer Bürgern zusammensetzten, leiteten die halbstündigen Diskussionsrunden.

"Es handelt sich um ein Experiment, zu dem es meines Wissens kein Vorbild an Schulen in Deutschland gibt", hatte Lehrer Dr. Kenan Holger Irmak in der Begrüßung erklärt und anschließend Schüler und Politiker in die Debatten geschickt, und zwar im Sinne des mitorganisierenden Bruno Bürger, der die Eine-Welt-AG der Schule betreut und der den Gruppen mit auf den Weg gegeben hatte: "Demokratische Werte können nicht wie mathematische Formeln gelernt werden. Sie müssen angewandt und zu Erfahrung werden."

 Thomas Schnelle (CDU, l.) und Ralf Derichs (SPD).

Thomas Schnelle (CDU, l.) und Ralf Derichs (SPD).

Foto: speen

Gleich in die Konfrontation stieg die erste Gruppe bei Thomas Schnelle (CDU) ein. Zu wenig sei im Wahlprogramm der CDU zur Energiepolitik zu lesen, um wissen zu können, wie die Partei dazu stehe, erklärte ein Schüler. Dem konterte Schnelle, dass Energie sicher, sauber und bezahlbar sein müsse: "In diesen drei Bereichen muss sich die Energiewende abspielen." Der Energiepreis dürfe nicht weiter steigen, auch wenn die Wende teuer sei. Darauf wolle die CDU achten, letztlich aber lohne sich diese Wende auch, "weil erneuerbare die günstigste Energie sei". Warum dann nicht gleich darauf umgestiegen werde, hinterfragten die Schüler weiter: "Warum schreibt die CDU im Wahlprogramm, dass die fossile Energie bis 2030 unterstützt werden soll?" Dazu Schnelles klare Antwort: "Wir müssen als Industrieland die Energiesicherheit gewährleisten, da sind die Erneuerbaren noch nicht so weit." Ähnlich äußerte sich Jürgen Spenrath (AfD), der "kein Freund von Braunkohle" ist, sie aber noch für notwendig hält, um "Lücken zu schließen" und der forderte: "Bei uns wird viel in Erneuerbare Energien investiert. Ich vermisste aber ein vernünftiges Speicherkonzept."

Gut vorbereitet griffen die Schüler auch bei Ralf Derichs (SPD) an und hielten ihm entgegen: "Wir definieren uns als Willkommens-Gesellschaft. Nun aber schlug ihr Parteikollege Thomas Oppermann vor, in Nordafrika eine Auffangeinrichtung für Flüchtlinge einzurichten." Wie stehe er dazu? Derichs räumte ein, dass er sich das "als keine schöne Situation für die Menschen vorstelle", diese aber "die bessere Alternative dazu ist, als in überfüllten Boote übers Meer nach Europa zu kommen". Es handele sich um eine Idee.

 Hans Josef Dederichs (Grüne, l.) und Igor Gvozden (Linke).

Hans Josef Dederichs (Grüne, l.) und Igor Gvozden (Linke).

Foto: Speen

Problematisiert wurde von den Schülern auch die aus ihrer Sicht späte Aufnahme von jungen Flüchtlingen an Schulen und der Familiennachzug: "Wäre der nicht zumindest bei minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen sinnvoll für deren Integration?" Darüber sei nachzudenken, sagte Derichs, gab aber zu bedenken, dass dadurch auch falsche Impulse an fluchtwillige Familien gegeben werden könnten.

Werbung dafür, Flüchtlinge kennenzulernen, machte Hans Josef Dederichs (Grüne). Die große Zahl an Asylsuchenden überfordere Deutschland nicht, er spüre vielmehr eine Diskrepanz zwischen gefühlter Überforderung und tatsächlichem Erleben: "Wer selbst Flüchtlinge kennt, lernt schnell, dass sie uns nicht überfordern."

Nach vier Stunden gingen die Diskussionen mit den Gymnasiasten zu Ende und dem guten Eindruck eines gelungenen Experiments.

(spe)
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