Straßenumbenennung in Erkelenz? Ehrenbürger könnte Nazi gewesen sein
Erkelenz · Der Unternehmer machte sich in den 1930er und 1940er Jahren einen Namen. Doch per Zufall ist nun viel belastendes Material über den Erkelenzer Ehrenbürger ans Tageslicht gekommen.
War der Erkelenzer Ehrenbürger Dr. Jakob Herle ein Nationalsozialist? Zu dieser Erkenntnis kommt zumindest der in Aachen aufgewachsene Maschinenbauingenieur Uwe Wehnert, der mittlerweile in Dresden lebt. Per Zufall hat Wehnert eine große Menge Material entdeckt, das Herle relativ zweifelsfrei eine wichtige Rolle in der Wirtschaftsmaschinerie der Nazis zuordnet. „Eigentlich war mein Ziel, die Geschichte meines Verwandten Wilhelm zur Nieden aufzuarbeiten. Dabei bin ich dann auf die Kriegsverbrechen von Jakob Herle gestoßen“, so Wehnert. Er hat die Stadt Erkelenz mit seinen Entdeckungen konfrontiert und fordert nun, dass es Konsequenzen gibt.
Jakob Herle, 1885 in Erkelenz geboren und 1957 ebendort verstorben, operierte lange Jahre als Geschäftsführer des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. 1955 überreichte ihm der damalige Wirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschlands. Ein Jahr später wurde Herle Ehrenbürger der Stadt. Ihm wurde nach seinem Tod ein Ehrengrab gewidmet, zudem ist die Dr.-Jakob-Herle-Straße in der Nähe des Ziegelweihersparks nach ihm benannt.
Wie Wehnert in monatelanger intensiver Recherche herausgefunden haben will, hat Herle aber ein großes dunkles Kapitel in seinem Lebenslauf. Auf ihn aufmerksam geworden sei der Dresdner Maschinenbauer, weil Herle 1944 Chef seines Verwandten gewesen sei. Bereits 1936 sei Herle mit der Mitgliedsnummer 3.759.329 in die NSDAP eingetreten. Er habe später die Gruppe IV Industrie bei der Haupttreuhandstelle Ost (HTO) übernommen. Eine seiner Aufgaben sei gewesen, künftig eine „rein deutsche Besiedelung“ sicherzustellen, wie aus einer 1941 dokumentierten Aussage das damaligen HTO-Leiters Max Winkler zurückgeht. Damit sei Herles Tätigkeit mindestens als Beihilfe zu Kriegsverbrechen zu werten.
In weiteren führenden Positionen etwa bei den Pulverfabriken Köln-Rottweil AG, der Wasag oder der Deutschen Sprengstoffchemie GmbH sei Herle bis zum Kriegsende höchstwahrscheinlich in den Tod ungezählter Zwangsarbeiter verstrickt.
Soweit zumindest Wehnerts Recherchen. Diese wiederum haben nun bei der Stadt Erkelenz einige Rädchen ins Rollen gebracht. Nachdem Wehnert die Verwaltung bereits im vergangenen Jahr auf seine Entdeckung aufmerksam gemacht hat, prüft die Stadt nun den Sachverhalt. „Nach Vorlage eines unabhängigen Gutachtens wird die Stadt Erkelenz entscheiden, wie weiter vorgegangen wird“, heißt es aus der Verwaltung. Das Institut für Geschichte aus München soll die Recherchen Wehnerts nun überprüfen – sollten die Experten zum gleichen Ergebnis kommen, ist die Sachlage dann klar: Herle würde die Ehrenbürgerschaft wohl entzogen werden, auch die Straße würde in diesem Fall wohl umbenannt.
Dies wiederum ist ein alles andere als unkompliziertes Verfahren. Die Menschen, die auf der Dr.-Jakob-Herle-Straße wohnen, müssten in diesem Fall neue Adressen bekommen, ihre Papiere und Daten ändern lassen – genau wie bei einem Umzug. Auch in städtischen Registern und Datenbanken müsste allerhand geändert werden.
Gleichwohl würde eine Straßenumbenennung auch eine Chance sein. Nach einem Vorstoß von Rita Hündgen, Vorsitzende des Heimatvereins der Erkelenzer Lande, hatten Politik und Verwaltung sich im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, künftig verstärkt Straßen nach Frauen benennen zu wollen. Schließlich gibt es im Stadtgebiet so gut wie keine Straße, die nach einer Frau benannt ist, wenn man Heilige einmal ausklammert.
Uwe Wehnert ist gespannt, wie sich die Situation in Erkelenz entwickelt. Er wundert sich allerdings auch, dass bislang niemand von Herles Vergangenheit gewusst haben will. „Anton Raky oder Leute in seinen Erkelenzer Fabriken men müssen eigentlich davon Kenntnis gehabt haben“, mutmaßt Wehnert. Nachkommen des Unternehmers habe er übrigens bislang nicht ausfindig machen können. „Gerüchteweise sollen aber welche in Frankreich leben“, sagt er.