Fahrräder von Kemper aus Schwanenberg Ein Erfinder „verrückter“ Fahrräder

Erkelenz · Michael Kemper hat vor 30 Jahren sein Unternehmen gegründet, das sich ausschließlich auf Fahrräder konzentriert. Damals in Bonn, seit 20 Jahren in Schwanenberg. In seiner Werkstatt wird rund um das Jahr an Fahrrädern getüftelt. Zu seinen Erfindungen gehört Filibus, der „Omnibus für den Filius“.

 Auf diesem Omnibus hat auch der Filius Platz – Kempers eigene Erfindung, der Filibus.

Auf diesem Omnibus hat auch der Filius Platz – Kempers eigene Erfindung, der Filibus.

Foto: Renate Resch

„Man baut mit Freude etwas Verrücktes“, sagt Michael Kemper und deutet auf eines seiner ungewöhnlichen Fahrräder, die in einem ehemaligen Stall eines längst aufgegebenen Bauernhofes in Schwanenberg als Anschauungsbeispiel dient.

Ein Leben ohne Fahrräder ist für Michael Kemper unvorstellbar. Der 61-Jährige hat vor rund 30 Jahren sein Unternehmen gegründet, das sich ausschließlich auf Fahrräder konzentriert. Der Liebe wegen ist der Maschinenbauer aus Hannover nach Bonn gezogen, hat dort seinen ersten Fahrradhandel aufgebaut, ist danach rheinabwärts nach Düsseldorf gezogen, um schließlich vor 20 Jahren mit seiner Familie in Schwanenberg heimisch zu werden. Dort hat Kemper inzwischen sein kleines, aber feines Unternehmen aufgezogen, in dem er und drei Mitarbeiter ihr Auskommen finden. Lediglich das Fahrrad, das über dem Eingangstor aus der Hauswand zu rollen scheint, weist auf den Betrieb hin.

Rund um das Jahr wird dort an Fahrrädern getüftelt, gearbeitet, konstruiert. Durchaus stolz ist Kemper dabei auf das Fahrrad des Erfinders Pedersen, das von rund 125 Jahren auf dem Markt gekommen ist und das über einen quasi schwebenden Sattel verfügt. Der Konstrukteur aus Schwanenberg ist nunmehr der einzige Hersteller, der in Deutschland dieses Fahrrad der Marke Pedersen baut und vertreibt.

„Wir sind in erster Linie eine funktionierende, mechanische Werkstatt, keine Verkaufsstätte“, betont Kemper, während er das ungewöhnliche Pedersen-Modell wieder an seinen Platz stellt und sich seiner eigenen Erfindung widmet, dem sogenannten Filibus. Das sei ein „Omnibus für den Filius“ erläutert er scherzhaft. Anfang der 1990er Jahre kam ihm die Idee für dieses Fahrrad. Das Fahrrad sollte sowohl für den Transport von Kleinkindern als auch für den von Waren aller Art geeignet sein. „Bis dahin gab es nur das bekannte niederländische Bakfiets als Lastenfahrrad mit der vor dem Lenker angebrachten Holzkiste.“ Statt der Kiste gibt es bei Kemper eine Tragfläche, auf der alles Mögliche festgezurrt werden kann, und statt eines normierten Rahmens gibt es verschiedene mit unterschiedlichen Längen, verschiedenen Trageflächen und Reifengrößen. Sogar als Tandem wurde das Filibus schon gebaut. Erstmals vorgestellt hat Kemper das variantenreiche Lastenfahrrad 1992 auf der weltgrößten Fachmesse, der IFMA in Köln.

Von der Stange ist keines der Fahrräder, die Kemper im kleinen Schauraum anbietet. Alle sind von ihm und seinem Team zusammengebaut. Seine Kundschaft kommt aus vielen Ländern Europas nach Schwanenberg. Wer ein echtes Pedersen haben will, kommt nicht umhin, zu Kemper Kontakt aufzunehmen. Das Pedersen ist wie der Filibus eines von vielen wirtschaftlichen Standbeinen des gelernten Maschinenbauers. Die Fantasie und der Ideenreichtum von Kemper sind längst nicht erschöpft. Was die wenigsten wissen: Er hat Anfang des Jahrtausends den Tiefeinsteiger „erfunden“ als Fahrrad ohne Querstange im Rahmen. Mittlerweile gehört dieses Model zum Standard aller Fahrradhersteller. Ein Paralleltandem, bei dem die Radler nebeneinander sitzen, gehört ebenso zu den Konstruktionen wie ein Dreirad, bei dem ein Mensch mit Behinderung gemeinsam mit einem Begleiter auf Radtouren fahren kann. „Vieles ist möglich“, sagt Kemper, der auch für andere Hersteller Räder konstruiert und baut; wenn etwa technische Herausforderungen auftauchen, die in einer Massenproduktion nicht zu bewältigen sind.

Als Beispiel nennt er den Wunsch eines Produzenten nach einem speziellen Rahmen für Kleinwüchsige. Daran arbeitet Kemper ebenso wie an einem Rahmen für übergroße, schwergewichtige Menschen, den ein anderer Produzent in Auftrag gegeben hat. „Rahmen aller Größen und Formen konstruiere ich und stelle sie in der Werkstatt mit meinen Mitarbeitern her. Aber ausschließlich aus Stahl. Nicht schwerer, aber nachhaltiger als Aluminium“, erzählt er beiläufig, ehe er auf das nächste Handlungsfeld hinweist: „Die Restaurierung alter Fahrräder kommt immer mehr in Mode.“

Foto: RP/Podtschaske , Alicia
 Der Hängemattensitz schwingt mit und ist sehr bequem.

Der Hängemattensitz schwingt mit und ist sehr bequem.

Foto: Renate Resch
 Michael Kemper ist der einzige Hersteller in Deutschland, der noch Fahrräder der historischen Marke Pedersen baut und vertreibt. 

Michael Kemper ist der einzige Hersteller in Deutschland, der noch Fahrräder der historischen Marke Pedersen baut und vertreibt. 

Foto: Renate Resch

Besonders gefragt seien Halbrenner aus den 1920er Jahren. Drei dieser verrosteten, nicht mehr funktionstüchtigen Zweiräder stehen ebenso wie ein nicht viel jüngerer Tretroller in der Werkstatt. Jedes Teil für die Ertüchtigung wird eigens in Schwanenberg hergestellt und verbaut. „Die Oldies sind zurzeit im Trend“, sagt Kemper, der selbst am liebsten auf einem Pedersen fährt: „Man schwebt richtig und kann dabei träumen.“ Beispielsweise von neuen, anderen, „verrückten“ Fahrrädern.

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