Hückelhoven Südafrika — Weihnachten aus einer neuen Perspektive

Hückelhoven · Autorin Alice-Cathérine Mackenstein berichtet von ihrem Auslandsjahr in Südafrika und schwankt zu Weihnachten zwischen deutschem Christstollen und afrikanischer Armut.

 Jugendliche, mit denen die Autorin in ihrem Auslandsjahr arbeitete.

Jugendliche, mit denen die Autorin in ihrem Auslandsjahr arbeitete.

Foto: Alice-C. Mackenstein

Ich weiß noch genau, wie ich mich letztes Jahr zur Weihnachtszeit in einem Lebensmittelgeschäft im weißen Vorort von Walmer tatsächlich Printengebäck und Christstollen gegenüber fand. Der Christstollen war für 160 Rand (rund 15 Euro) zu vernaschen, und beides lag in original deutschsprachiger Verpackung auf einem Dekogeschenketisch.

Ein Stückchen Heimat in der Ferne!? Staunen darüber, gewiss. Ein Anflug von Nationalstolz, irgendwie. Doch dann ein befremdliches Gefühl des Erkennens: In Südafrika bekommt man alles von überall her — wenn man Geld hat. Und im schwarzen Township drei Querstraßen weiter? Hier protestieren die Menschen gegen die marode Infrastruktur und für private Strom- und Wasseranschlüsse. Die Republik am Kap ist ein ungewöhnlich vielfältiges, widersprüchliches und überraschendes Land. Seit 1994 strebt es nach Einheit, nach der Einheit in der Vielfalt. Es lebt mit Gegensätzlichkeiten, arbeitet sich an ihnen ab und schöpft daraus auch eine große Energie.

In einem selbstgeschriebenen Stück brachte meine Theatergruppe Szenen ihres Alltags auf die Bühne. Ganz individuell wurden die Jugendlichen charakterisiert und sensibilisiert für das schwierige Leben im Township. Am Ende war eine multimediale Collage aus Monologen, Gedichten, Pantomime, Tanz und Trommelmusik entstanden, die den Jugendlichen eine Stimme und einen Platz der Entfaltung gab. Der Titel "Be the writer of the story of your life" war Statement und Ansporn zugleich, und wir planten, mit einem thematisch anknüpfenden Projekt an lokalen Grundschulen aufzutreten. Im Sinne einer "Reading Revolution" soll es Lust machen aufs Lesen, auf Bücher und die Lesekompetenz stärken.

Mit Begeisterung gingen die jungen Schauspieler zu Werk. In diese intensive Probenzeit rückte auch mein Abschied. Ich nahm ihnen das Versprechen ab, dass sie ihren High School-Abschluss machen und die inspirierende Arbeit der Gruppe fortführen. Denn die Theatergruppe Born Free spricht über ihre community. Wenn die jungen Schauspieler ihre Botschaft über die Wichtigkeit des Lesens an Grundschüler weitergeben können, dann wäre das für mich ein wunderbares Weihnachtsgefühl. Der Christstollen als Geschenk erscheint dagegen bezahlbar, vergänglich, alljährlich.

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