Kochbuchautorin aus Erkelenz erzählt von ihren Erfahrungen Gemeinsam Kochen statt Dating-Irrsinn

Interview | Erkelenz · Sie hat über 60 Bücher rund ums Kochen geschrieben. Immer wieder hat sie neue Ideen, wie sie das Kochen den Menschen bringen kann. Nicht immer geht es dabei tierisch ernst zu, wie sie in ihrem letzten Buch „So kochen Sie Ihren Mann ins Grab“ deutlich machte. Im Interview beschreibt Gabi Vallenthin ihre Leidenschaft fürs Kochen.

 Gabi Vallenthin lebt in Erkelenz und hat bereits viele erfolgreiche Kochbücher verfasst.

Gabi Vallenthin lebt in Erkelenz und hat bereits viele erfolgreiche Kochbücher verfasst.

Foto: Vallenthin

Frau Vallenthin, wie sind Sie zum Kochen gekommen?

Vallenthin Gutes Essen fand ich schon immer interessant, aber erst durch meinen ersten Mann bin ich wirklich zum Kochen gekommen. Der war ein ausgemachter Feinschmecker und aus natürlich völlig uneigennützigen Motiven meinte er, es wäre schön, wenn ich besser kochen würde. Zu seiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass wir in wunderbare Restaurants gegangen sind, damit ich den Unterschied merke zwischen „kann man essen“ und „gar nicht so übel“ bis hin zu „phantastisch“. Natürlich brachte er mir auch immer wieder Kochbücher mit, selbstredend von Sterneköchen, an denen ich komplett verzweifelt bin. Ich verstand nicht, was genau gemeint war, ich kannte viele der Zutaten nicht oder konnte sie nur schwer besorgen, und mir fehlte auch die küchentechnische Ausrüstung dazu. Ich selbst habe mir dann verständliche Kochbücher besorgt, darunter das Dr.-Oetker-Schulkochbuch oder fast alle Bücher von Christian Teubner, der aus meiner Sicht die besten Anfängerrezepte geschrieben hat. Zudem habe ich auch sehr viel Zeit darauf verwendet, gut einzukaufen: Mit schlechten Zutaten wie sehnigem Fleisch, zu fetten Zutaten, betagtem Gemüse oder seifigen Pilzen kann kein Mensch gut kochen. Diese Kombination aus gutem Einkaufen und lernen, lernen, lernen hat dafür gesorgt, dass ich mit der Zeit immer besser wurde. Irgendwann begannen mich die ersten Freunde zu fragen, ob ich nicht mal einen Kochabend organisieren könnte, damit ich ihnen Grundlagen beibringen kann. Und sie haben sich bei mir Tipps für Gerichte geholt oder mich um Rezepte gebeten. Da sie wirklich alle mit meinen Empfehlungen bessere Ergebnisse erzielen konnten als mit den üblichen Kochbüchern, reifte in mir die Idee, doch ein erstes Kochbuch zu schreiben, auf dem Niveau einer normalen Hausfrau mit Rezepten, die jeder verstehen kann und die jeden abholt.

Was macht für Sie ein gutes Rezept oder ein gutes Kochbuch aus?

Vallenthin Die meisten Kochbücher liefern einzelne Rezepte. Also ein Rezept für Kartoffelbrei, ein Rezept für einen Braten, ein Rezept für ein raffiniertes Gemüse. Deshalb war mein erstes privates Kochbuchprojekt ein Countdown-Kochbuch, das das Problem löst, wie man die einzelnen Zubereitungsschritte von mehreren Komponenten in einen machbaren Ablauf gießt. Denn bei Anfängern passiert es schnell, dass das Fleisch schon gar ist, während die Kartoffeln noch steinhart im Wasser liegen und das Gemüse noch nicht geputzt ist.

Sollten alle Sterneköche das bei ihren Rezepten beherzigen?

Vallenthin Bei einigen Köchen bin ich absolut sicher, dass sie ihre Rezepte für Endverbraucher nicht ein einziges Mal getestet haben. Was ich da schon an Ergebnissen erlebt habe, spottet jeder Beschreibung. Gerade, wenn es um Rezepte für Industriekunden geht: Industriekunden wollen für ein Gerät oder eines ihrer Lebensmittel fünf oder zehn Rezepte vom Super-Sternekoch haben. Nur vergessen diese Kunden, dass der Sternekoch vor allem in Fernsehsendungen rumturnt und zusätzlich aber auch noch ein eigenes Restaurant hat, das seinen Stern oder seine Sterne halten muss. Da hat er für solche zusätzlichen Aufträge im Rahmen von Promotions-Verträgen schlichtweg keine Zeit. Also delegiert er das Projekt entweder an ein paar seiner Jungköche oder er schreibt das Rezept Pi mal Daumen – zwischen Tür und Angel – aus dem Kopf runter. Ohne Testung. Dabei vergessen nur leider die Beteiligten, dass dieser Profikoch vom Koch-Horizont einer normalen Hausfrau Lichtjahre entfernt ist. Nur ganz wenige Fernsehköche beschäftigen eigene Rezeptentwickler, um die Anfragen der Industrie so zu erledigen, dass eine einfache Hausfrau ihre Gerichte nachkochen kann.

Was bedeutet Kochen für Sie?

Vallenthin Kochen ist für mich die Kombination aus guten Zutaten mit einer einfachen Zubereitung. Damit man entspannt bleibt. Sobald es in der Küche zu hektisch wird, gehen bei Privatleuten die Rezepte schief. Mein Ziel sind nicht Gerichte auf Gourmet- oder Sterne-Niveau sondern normale Gerichte mit normalen Zutaten, die einfach außergewöhnlich gut schmecken.

Ist Kochen zum Teil Ihres Berufs geworden?

Vallenthin Kochen ist inzwischen das zentrale Thema meines Berufs. Wie viele Werbetexter – das ist mein eigentlicher Beruf – bin ich schon früh zum Schreiben von Büchern gekommen und sehr schnell wurden das Kochbücher und Ratgeber. Ich schreibe meine Rezepte sehr ausführlich, beschreibe jeden Handgriff und setze keine seltenen Zutaten beziehungsweise außergewöhnliche Kochgeräte voraus. Wenn ein Haushalt aber nicht über ein einziges vernünftiges Messer verfügt, keine einzige Pfanne hat, die nicht zerkratzt ist und Töpfe, wo alles sofort anbrennt, dann sind selbst meine Rezepte eine Herausforderung. Also, ein bisschen Küchen-Equipment braucht man einfach. Genauso wie jemand, der ein Vogelhäuschen mit den Kindern bauen will: Das ist sicherlich keine Raketenwissenschaft, aber ohne Schraubenzieher und ein paar Schrauben plus auf Maß gesägtes Holz wird auch das nicht gehen. Und beim Kochen ist es genauso.

Für wen arbeiten Sie?

Vallenthin Meine Kunden sind – teilweise internationale ­– Industriekunden, für deren Produkte ich Rezepte entwickle oder die Rezepte ihrer Promiköche teste oder für Privathaushalte optimiere. Sehr viel Freude macht mir auch die komplette Adaption internationaler Rezepte auf den deutschen Markt, nach Gesichtspunkten wie: Werden die Zutaten vom deutschen Verbraucher akzeptiert? Gibt es diese Zutaten zu akzeptablen Preisen auch in ganz normalen Supermärkten und passen die Mengenverhältnisse, die Küchenausrüstung und die Portionsgrößen zu den deutschen Konsumenten? Am Schluss bringe ich die Rezepte dann auch noch in das bei uns übliche „Rezepte-Deutsch“. Das sind alles Leistungen, die kein Übersetzungsprogramm erbringen kann ­– sogar professionelle Übersetzungsagenturen scheitern an der Entscheidung, ob das Backtriebmittel jetzt „Hefe“ oder „Backpulver“ sein soll.

Haben Sie mal ein paar Beispiele dafür?

Vallenthin Davon gibt es viele: In England wird zum Beispiel sehr gerne Nierenfett verwendet. Abgesehen davon, dass man es hier nirgendwo kaufen könnte, würde es jeden deutschen Verbraucher bei der Idee schon schütteln. Und der Geschmack ist auch gewöhnungsbedüftig. Unsere französischen Nachbarn dagegen sind weit weniger tierbewusst als wir und der Anteil der Vegetarier ist deutlich geringer: Mit Rezepten für Foie gras und Froschschenkel würde ein französisches Unternehmen einen gewaltigen Shitstorm riskieren. In China wiederum ist es völlig normal, Fleisch vor der Zubereitung in Glutamat zu wälzen. Das sollte man in einem Rezept für den deutschen Markt besser vermeiden. Bei Sterneköchen ersetze ich auch häufig Zutaten durch verwandte Zutaten, die man im Supermarkt kaufen, zumindest aber bestellen kann: Eine Goldforelle bekommen Sie eben nicht überall, genauso wenig wie Sylter Deichlamm. Und um ein Gericht zu überbacken, muss es auch nicht unbedingt der Gruyère-Käse zu drei Euro für 100 Gramm sein.

Wo und wie kochen Sie?

Vallenthin Ich habe eine perfekt ausgestattete Privat-Küche. „Privat“ betone ich so, weil Profiköche auch mit deutlich anderem Equipment arbeiten.

Sind Sie experimentierfreudig beim Kochen?

Vallenthin „Ja“, wenn es um Vereinfachungen und Variationen geht – da probiere ich viel aus. Und „nein“, wenn damit aufwändige Zubereitungsschritte und -verfahren gemeint sind. So etwas Exzentrisches wie beispielsweise die Molekularküche wäre absolut nicht mein Fall.

Was gehört zum Kochen unbedingt dazu?

Vallenthin Messer die schneiden, mindestens drei Brettchen, eine Waage, eine Rührschüssel und im Idealfall eine Küchenmaschine beziehungsweise ein Multicooker.

Muss Kochen teuer sein?

Vallenthin Teuer nein, wertig ja. Ein riesiger Unterschied: Ein Korb mit Obst vom Nachbarn ist nicht teuer, aber wertig. Ein teures Stück Fleisch kann dagegen minderwertig sein. Bio-Zutaten und Fisch aus zertifiziertem Fang sind etwas teurer, dafür deutlich wertiger. Allerdings relativiert sich das noch, wenn man gezielter einkaufen geht. Auch wenn man deutlich mehr Gemüse isst und mal im Discounter aufpasst, was da an Bio-Produkten angeboten wird, ist das Essen wertig, aber nicht zwangsläufig teuer. Woche für Woche wird bei den Discountern das Bio-Angebot größer und das ist ein perfekte Beispiel für „wertig plus günstig“.

Die Mutter kocht, der Rest der Familie trommelt hungrig mit den Fingern auf die Tischplatte und wartet auf die Bescherung. Ist das Weihnachten?

Vallenthin In vielen Haushalten leider ja. Plus das weihnachtliche Anspruchsdenken der einzelnen Familienmitglieder: Opa besteht auf der traditionellen Gans, Tante Frieda will etwas Magenfreundliches und Laura-Marie, die vor sechs Wochen zur veganen Ernährung gefunden hat, pocht nun auf entsprechende Beköstigung. Kein Wunder, dass viele Hausfrauen Weihnachten hassen. Und was die Bescherung angeht: Warum kann man nicht erst bescheren und anschließend essen? Dann ist das Essen doch viel entspannter. Wenn die Dame des Hauses zudem ein Menü ausgewählt hat, das sie schon deutlich vorher vorbereiten konnte (das Entenrezept, Schinken in Brotteig oder die klassischen Würstchen mit Kartoffelsalat oder eben Raclette mit zusätzlicher Grillplatte für kleine Fleischstücke), dann kann ein Weihnachtsessen genauso harmonisch werden wie in der Fernsehwerbung.

Was ist Ihr aktuelles Projekt?

Vallenthin Ich habe gerade einen Online-Kochkurs für absolute Anfänger fertiggestellt, den man jetzt seit einer Woche buchen kann: Er ist für alle gedacht, die eben – wie ich damals – gerne etwas Vernünftiges essen möchten, aber noch keine Ahnung vom Kochen haben. Und da ich weiß, was mir alles Probleme bereitet hat, habe ich den gesamten Kurs so aufgebaut, dass man wirklich mit null Kenntnissen anfangen kann und schon nach acht Wochen tolle Gerichte alleine hinbekommt. Weitere Informationen dazu gibt es unter www.lecker-kochen-in-8-Wochen.de.

Ist Kochen denn überhaupt ein Thema für junge Leute?

Vallenthin Heutzutage sind junge Menschen viel gesundheitsbewusster und auch ernährungsbewusster als früher. Nur leider wird unter dem Begriff „gesundes Essen“ wirklich viel angeboten, was mit „gesunder Küche“ nichts zu tun hat. Man nehme nur das Thema „Bratwurst aus Pflanzen“, wo es Fooddesignern täglich gelingt, Wasser mit Aromen, Geschmacksverstärkern und Zusatzstoffen unter Zusatz von Erbsenprotein schnittfest zu bekommen. Mit gesunder Ernährung hat das wirklich nichts zu tun. Dazu jede Menge Superfoods, die mit Pestiziden belastet sind und aus dem letzten Winkel der Erde nach Europa geflogen werden. Der Kurs eignet sich auch prima für junge Leute, die an diesem „Dating-Irrsinn“ heutzutage verzweifeln. Denen würde ich am liebsten zurufen: „Hey, lern’ doch kochen und lade ein paar Leute zum gemeinsamen Kochen ein.“ So mancher junge Mann könnte mit Spaß in der Küche und ein, zwei Gläsern Wein bei hübschen Mädels weit mehr punkten als mit ausgelutschten Sprüchen aus irgendwelchen Aufreiß-Ratgebern.

Was schlagen Sie als Weihnachtsmenü vor?

Vallenthin Alles, was einfach geht. Alles, was man gut vorbereiten kann und alle Gerichte, bei denen sich wegen Corona auch noch kurzfristig die Zahl der Gäste nach oben oder unten korrigieren lässt.

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