Schwerpunkt Offenes Ohr Für Wohnungslose Immer mehr junge Menschen obdachlos

Erkelenz · Menschen ohne Obdach können sich in Erkelenz an die Caritas wenden. An der Brückstraße erhalten sie Hilfe, Gehör und eine vorübergehende Bleibe.

 Birgit Felzmann und Frank Wittke.

Birgit Felzmann und Frank Wittke.

Foto: Jürgen Laaser

Weihnachten ist nicht unbedingt das Fest, auf das sich die Klienten von Birgit Felzmann und Frank Wittke freuen. Eher ist das Gegenteil der Fall. "Die Besinnlichkeit einer Weihnachtsfeier weckt in aller Regel viele Erinnerungen und lässt Emotionen aufkommen", sagt Birgit Felzmann. "Und viele wollen nicht erinnert werden an ihr Schicksal oder an ein Leben voller Gefühle." Birgit Felzmann und Franz Wittke arbeiten in der Caritas-Fachberatungsstelle für Wohnungslose an der Brückstraße in Erkelenz.

Tagein, tagaus haben es die beiden diplomierten Sozialarbeiter mit Menschen zu tun, die ohne Wohnung sind, die ein Leben auf der Straße fristen müssen, denen im Prinzip alles genommen wurde und für die es im Winter auch ums Überleben geht.

"Das Zuhören ist der Schlüssel zum Erfolg." Franz Wittke bringt es auf den Punkt. Seine Kollegin und er hören zu, wenn ein Wohnungsloser an ihre Tür klopft beziehungsweise den Klingelknopf drückt. "Die Menschen kommen zu uns, weil wir ihnen vielleicht die Hoffnung auf ein Dach über dem Kopf und ein Bett für die Nacht geben können." Einige kommen aus eigenem Antrieb, andere, weil "Kumpel" ihnen die Adresse genannt haben; die Stadtverwaltung verweist Wohnungslose oft ebenso wie andere Behörden an die Einrichtung der Caritas, die seit 2000 in Erkelenz ansässig ist. In den Gesprächen, die in aller Regel Monologe der Betroffenen sind, kommt schnell deren Schicksal zur Sprache. Arbeitslosigkeit, Sucht, Trennung, aber auch psychische Probleme lassen manchen Menschen nahezu ins Bodenlose fallen. Im vergangenen Jahr waren es 41 neue Klienten, zu rund 80 Prozent Männer, die zusätzlich zu bereits bekannten Wohnungslosen die Erkelenzer Beratungsstelle aufgesucht haben, wie Felzmann sich erinnert.

"Wir versuchen, ihnen zu helfen", sagt ihr Kollege. Nicht nur mit einem Obdach, sondern auch mit Wegen, aus der unglücklichen Situation herauszukommen. "Viele haben keinen Pass, keine Krankenversicherung, keine Arbeit, kein Konto, sie haben rein gar nichts." Dabei sind die jungen Menschen immer mehr geworden, die den Einstieg in das Erwachsenenleben nicht schaffen. Das Klischee vom alt gewordenen, einsamen Mann zieht nicht mehr. Mehrere Schritte müssen die Wohnungslosen gehen: Sie müssen ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage sichern, sie müssen eine dauerhafte Perspektive bekommen und sie müssen zunächst ein Bett erhalten und später sogar eine eigene Wohnung. "Vorübergehend können sie bei uns bleiben", sagt Wittke.

In der Etage über der Fachberatungsstelle gibt es eine Wohngemeinschaft für vier Männer. Wenn der Bedarf an Betten größer ist, verweist Wittke auf die zentrale, rund um die Uhr geöffnete Beratungsstelle in Geilenkirchen mit zwölf Unterkunftsmöglichkeiten und vier Notfallbetten. Frauen haben keinen Zutritt zu diesen Häusern. Sie werden vereinbarungsgemäß von der Caritas an die Arbeiterwohlfahrt und den Sozialdienst katholischer Frauen und Männer weitergeleitet. "Beim Zuhören erfahren wir schnell die Gründe, warum die Menschen zu uns kommen. Das gibt uns die Gelegenheit, die Fachleute ins Spiel zu bringen, die Therapeuten, die Psychologen, die Spezialisten vom Sozialamt und die vom Arbeitsamt", schildert Wittke. Er und seine Kollegin seien "Generalisten als Berater" ohne fachspezifische Kenntnisse. "Uns geht es zunächst darum, den Fall ins Bodenlose zu beenden." Den ersten Schritt dazu unternehmen die Betroffenen, die sich an der Brückstraße melden und die dort jemanden finden, der ihnen bei ihren Sorgen und Nöten helfend zuhört.

Auch in diesem Jahr gibt es in der Fachberatungsstelle kein Weihnachtsfest mit einer Feier im eigentlichen Sinne. Birgit Felzmann hatte stattdessen wenige Tage vor Heiligabend eine kleine Zusammenkunft in der Wohngemeinschaft organisiert. Weihnachtbaum, Tannenduft, besinnliche Lieder spielen keine Rolle. Man trifft sich, um miteinander zu reden; anders als an den Weihnachtstagen, an denen jeder mit sich und seinem Schicksal allein sein möchte und sich zurückzieht.

Dass dann doch ein wenig fröhliche Stimmung aufkommt, liegt an den Geschenken, die an die Wohnungslosen verteilt werden. "Wir haben viele Bürger, die uns seit einigen Jahren unterstützen und die Geschenke für unsere Klienten spenden", erzählt Wittke. Dieses Engagement zeigt ihm, dass die Fachberatungsstelle kein Mauerblümchendasein fristet, sondern im Alltagsleben der Bürger eingebunden ist. Da passt - wunderbar zur Weihnachten - eine Geschichte, die sich unlängst ereignete: Einem Bürger war in einem Einkaufszentrum ein Bedürftiger aufgefallen, der dort einige Tage hintereinander umherlief. Er sprach den Mann, der sich als Wohnungsloser offenbarte, an. "Nach einem Kaffee hat der Bürger ihn dann höchstpersönlich zu uns gebracht."

(kule)
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