Erkelenz Häuserreihe von St. Lambertuskirche bis zum Marktgässchen

Erkelenz · Ein Blick in die Geschichte der einzelnen Häuser in der Reihe von der Erkelenzer Lambertuskirche bis zum Marktgässchen.

 1987 mit dem Stadtbrunnen von Peter Haak.

1987 mit dem Stadtbrunnen von Peter Haak.

Foto: Sammlung Peter Linden

Nr. 4 Das Grundstück wurde 1885 von der Familie Herle gekauft, die 1904 den markanten Eckbau mit der Hingucker-Fassade einweihte und dort eine Druckerei, Buchhandlung, Verlag und Musikalienhandel betrieb. 1930 übernahm Josef Kehren, der bei Herle eine Buchbindelehre gemacht hatte, Haus und Geschäft, Sohn Leo Kehren stieg in der 1960er Jahren ein und erweiterte die Nr. 4 mit der Nr. 5. Die Buchhandlung Kehren war ebenso ein Begriff, wie in den letzten 22 Jahren die Buchhandlung Wild. Nach einem Besitzerwechsel (Daniela Steffens) wird ab dem neue Jahr 2018 Braut-, Fest- und Schützenmode in dem historischen Gebäude Einzug halten.

Nr. 6 Im Jahre 1904 zog Carl Claassen von der Brückstraße zum Markt, wo er eine alte Scheune zu einem Geschäfts- und Wohnhaus umgebaut hatte. Nach wie vor belieferte er aber auch Klöster in der Eifel mit Stoffen und Bettwäsche. Nach Otto und Käthe sowie Manfred und Ursula Claassen betreibt nun in vierter Generation Tochter Sylvia Frenken das Modehaus, das nach mehrfachem Umbau locker mit Läden auf der Kö in Düsseldorf oder auf dem Boulevard im Seebad Knokke mithalten könnte.

Nr. 7 Aus den Kriegsruinen der Druckerei Scherer und des Schuhhauses Simons bauten Siegfried und Elisabeth Ruffert das gewaltige Eckhaus, das seinen Wohneingang auf der Aachener Straße 1 hat. Einweihung war am 1. Dezember 1955 - in der Nr. 7 wurden Schreibwaren und Bürobedarf vertrieben, es gab eine Leihbücherei, aber auch schon eine Totoannahmestelle (Grosse). 1983 wurde Trudi Becker Mitinhaberin, übernahm dann 1988 den ganzen Komplex nun auch mit Lottoannahme und Reisebüro. Von 2006 bis 2014 wurde das Reisebüro Ruffert von Frank Glatzel geführt, ab November 2014 firmiert es als Reisebüro Plum.

Nr. 8 Die Hirsch-Apotheke wurde bereits vor 1750 gegründet und siedelte im 19. Jahrhundert von der Kirchstraße an den Marktplatz, wo 1909 die mehr als einhundertjährige Ära der Familie Kühle begann - von Senior Wilhelm ging sie an Sohn Hans und Enkelsohn Hans, aktuelle Inhaberin (seit 2017) ist Apothekerin Jutta Pützhoven. Eine dunkle Stunde hatte das große Stadthaus in den letzten Kriegstagen, als von den Siegermächten gezündete Benzinkanister noch vernichtende Schäden anrichteten. Bis heute erfolgten mehrfach Umbauten und Modernisierungen.

Nr. 9 Jetzt ist dieses Haus als Einheit mit der Hirsch-Apotheke zu sehen. Der im Jahre 2000 fertiggestellte Umbau ermöglichte eine behindertengerechte Eingangspassage zur Apotheke und zur Gemeinschaftsarztpraxis Kußmaul, Roye und Jütten. "Das war etwas kompliziert, weil alte Baupläne und die Realität nicht identisch waren", weiß Apotheker Hans Kühle. In der Nr. 9 war bis zum Verkauf viele Jahre Lucie Vleugels die Fachfrau für Stoffe und Nähutensilien. Sie schrieb auch als bekannte Tennisspielerin beim TC Blau-Weiß Erkelenz Geschichte.

Nr. 10 Hier ist über Generationen Mode zu Hause - angefangen im Jahre 1900 mit den Pelzmoden von Carl Lungstraß. Aus den Trümmern des 2. Weltkrieges entstand 1958/60 das Mode- und Damentextilhaus Nelly Ilbertz, die den Geschwistern Antoinette und Emma Lungstraß lebenslanges Wohnrecht gewährte und das Geschäft bis Mitte 1993 führte. Es folgten Mode Kellermann, ab 1. August 2009 Prestige-Moden (Regina Kratz aus Aachen) und seit dem 1. August 2015 la belle Moden.

Nr. 11 Bis ins Jahr 1792 ist die Geschichte des sogenannten Jungbluth'schen Hauses bekannt - heute das Dr.-Kahrmann-Haus. "Schon wegen seiner Größe und der Höhe der Räume ist es das beherrschende Haus am Markt", wie Band 3 der Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande zu entnehmen ist: Notariate führten hier Johann Adam Gormanns (ab 1792) und Sohn Hermann-Josef Gormanns (ab 1828), der 1863 an seinen Neffen Leonhard Jungbluth übergab. Hermann-Josef Gormanns hinterließ der Stadt Erkelenz testamentarisch Geld (60.000 Taler) und Grundbesitz, woraus die Hermann-Josef-Stiftung (Krankenhaus, Altenheim und Hospiz) entstand, die 2017 ihr 150-Jähriges feierte. Kriegsbomben ließen bis 1945 nur noch die Grundmauern stehen. Der praktische Arzt Dr. Kahrmann richtete unmittelbar nach dem Wiederaufbau eine Praxis ein. Ein Kernmieter wurde die 1957 gegründete Volksbank Erkelenz, die bis zum Umzug in das neue Gebäude gegenüber dem Bahnhof (1967) am Markt über 120 Quadratmeter verfügte, von denen alleine der hauptamtliche Vorstand Klaus Rätz 15 nutzte. Nach der Volksbank wurden die Räume von der Commerzbank genutzt, 1989 bis Ende 2006 bot dort der Dekorateur Theo Ruhrmann seine Dienste an, ehe er die Firma in sein Heimatdorf nach Tenholt verlagert. Italienische Eisleckereien gibt es seit 2010, seit 2017 nicht nur in der linken, sondern auch in der rechten Haus-/Schaufensterseite. Dort versuchten sich zuvor u.a. ein Telefonladen, wurden belgische Leonidas-Pralinen angeboten und auch schon Kleidung gereinigt. Im hinteren Bereich stylte eine Kämm-Bar, Zahnarzt Mansour bohrt oder lindert Schmerzen und in der ersten Etage empfangen und beraten seit Ende der 1980er Jahre die Rechtsanwälte Wilhelm J. Breuer und Klaus-Dieter Geulen.

Nr. 12 Die Gaststätte "Zum alten Rathaus" garantiert seit Generationen urige Gemütlichkeit bei gepflegten Getränken - und Tradition. Dazu passt der Geheimcode "ja, wenn die Wände erzählen könnten . . ." Legendär ist zweifelsohne die Wirtin Maria von der Wülbecke, übrigens eine Schwester von Otto Claassen (Haus-Nr. 6). Stammgäste zum Skatdreschen waren u.a. Erkelenzer Stadträte und auch die Verwaltungsspitze. Darunter auch Stadtdirektor (von 1952 bis 1971) Aloys Jost. Vielleicht versteht man mit diesem Wissen leichter, dass die Kneipe "Zum alten Rathaus" wegen Beseitigung von Kriegsschäden nicht geschlossen, sondern kurzerhand für eineinhalb Jahre in den Ratssaal des gegenüberliegenden "echten" Alten Rathauses verlegt wurde. Prost. Das waren noch Zeiten . . . Auf Maria von der Wülbecke zapften im renovierten Gasthaus mit der gemütlichen Rundecke zunächst Hermine und Hans Krahe, dann von 1971 bis 1982 Heinz Peter Spelten. Dass die Kneipe im Herzen der Stadt in der närrischen fünften Jahreszeit den Zusatz "Möhne Hött" bekam, hat damit zu tun, das die Geburtshelfer der bunten und maskierten Karnevalsmöhnen, Karl-Eugen Luther, Heinz Görtz und Kurt Hupke, die Produktion in Pitters Kneipe verlegten. Spanische Abende, Verleihung von Möhneorden, Dixieland-Frühschoppen oder Alemannia-Stammtische (ja den gab es wirklich) waren in dieser Zeit Highlights. Im kleinen Sälchen in der ersten Etage trafen sich Sangesfreunde im Vorfeld zum Maibaumsetzen, um unter der Anleitung von Siegfried Ruffert die Texte und Tonlagen zum Maisingen einzuüben. Von 1982 bis 1989 hatten Anne und Hans Wagner die Zapflizenz, es folgten Ria und Hermann-Josef Pangels, schließlich sage und schreibe 22 Jahre (von 1992 bis 2014) Meho Tojaga, dessen Sohn Adis die Eckkneipentradition fortsetzt.

(RP)
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