Gottesdienst mit Richter in Schwanenberg „Beim Urteil ist Mitleid fehl am Platze“

Erkelenz · Recht und Gerechtigkeit stimmen nicht immer überein; jedenfalls aus dem Blickwinkel vieler, die ein auf dem Gesetz basierendes Urteil als ungerecht empfinden und es als unangemessen, zu milde, zu hart oder falsch bewerten. Seine Meinung tat Richter Christoph Ohrmann kund.

 Pfarrer Robin Banerjee (l.) im Dialog mit Richter Christoph Ohrmann – eine besondere Form des Gottesdienstes in Schwanenberg.

Pfarrer Robin Banerjee (l.) im Dialog mit Richter Christoph Ohrmann – eine besondere Form des Gottesdienstes in Schwanenberg.

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Bereits zum neunten Mal hatte Pfarrer Robin Banerjee zum Gottesdienst auf dem Sofa in die evangelische Kirche in Schwanenberg eingeladen. Unter dem Motto „Kirche im Gespräch mit …“ nahm neben Banerjee der Richter Christoph Ohrmann auf dem breiten Sitzmöbel Platz. Zusammen mit dem theologischen Ausschuss des Presbyteriums hatte Banerjee 2013 dieses Format entwickelt, bei dem Altar und Kanzel in den Hintergrund treten und der Dialog den zentralen Teil des Gottesdienstes darstellt. Der Pfarrer hatte Ohrmann kennen gelernt, als er mit den jugendlichen Schauspielern bei der Probe zum Theaterstück „Terror“ im vergangenen Jahr den Richter bei der Ausführung seines Amtes erlebte und er sich fragte, wie ein Richter zu einem Urteil kommt und wie sehr ihn wohl die Rechtsprechung belaste. Bei „Terror“ ging es um die Frage, ob es erlaubt sein kann, Menschen zu töten, um andere Menschen zu retten. Darf ein Befehl erteilt werden, ein vollbesetztes Passagierflugzeug abzuschießen, das von Terroristen entführt und zu einem Absturz in einem Fußballstadion gebracht werden soll?

Mit diesem juristischen Problem beschäftigt Ohrmann sich in seinem richterlichen Alltag nicht. Er ist Richter am Amtsgericht in Mönchengladbach und hat keine Ambitionen, seinen Richterstuhl zu räumen, um etwa an ein Landgericht zu wechseln. „Ich bin mein eigener Chef“, meint er. Er kann selbst entscheiden, wann und wie er seine Fälle bearbeitet und beurteilt. Rund 800 Fälle, darunter rund 600 Strafsachen, landen auf seinem Schreibtisch. In aller Regel sind es Diebstähle, Verkehrsvergehen oder Drogen- und Körperverletzungsdelikte, über die er richtet. Mitleid mit den Tätern hat er nicht. „Man kommt ja nicht so auf die schiefe Bahn.“ Er urteilt auf Basis des Gesetzes, da sei Mitleid fehl am Platze.

Insofern sei es auch nicht zwingend, den Glauben als Bewertungsmaßstab anzulegen. Das Gesetz gibt dem Rahmen von, den der Richter ausschöpft. Das kann dazu führen, dass ein Außenstehender das Urteil als nicht gerecht ansieht. „Aber jeder hat eine zweite Chance verdient, und wer zum ersten Mal mit dem Gesetzt in Konflikt gerät, hat in einer Regel nicht mit einer Haftstrafe zu rechnen.“

Von Fernsehserien, in denen Strafverfahren gemimt werden, hält er nicht viel. „Da kommt fast immer ein Überraschungszeuge plötzlich um die Ecke, der die Geschichte um 180 Grad dreht.“ Das entspreche nicht der Wirklichkeit und werfe damit auch ein falsches Bild auf Recht und Gerechtigkeit. In seiner jetzt sechsjährigen Praxis als Strafrichter am Amtsgericht in Mönchengladbach sei ihm noch kein einziger Überraschungszeuge untergekommen. Ohrmann, der übrigens den Befehlsgeber für den Abschuss verurteilt hätte, hatte großes Lob für seine Gastgeber. „So etwas wie hier in Schwanenberg habe ich noch nicht erlebt.“ Er kenne nur das klassische Bild einer Kirchengemeinde. „Hier gibt es innovative Sachen, da würde ich eher hingehen als zu den herkömmlichen.“

Musikalisch umrahmt vom Erka-Singekreis unter der Leitung von Leo Vieten fand auch dieser Sofa-Gottesdienst großen Anklang bei den Besuchern, die gerne das Angebot wahrnahmen, anschließend noch bei Snacks und einem Glas Wein darüber zu diskutieren.

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