Gotteshaus wegen Tagebau entwidmet Gläubige weinen beim Abschied vom Immerather Dom

Erkelenz · 122 Jahre nach der Einweihung ist die Doppelturmkirche St. Lambertus Immerath am Sonntag in einem festlichen Gottesdienst wegen des immer näher rückenden Braunkohletagesbaus entwidmet worden. Internationales Aufsehen.

 Domkapitular Rolf-Peter Cremer verliest das Dekret des Bischofs zur Entwidmung. Dann der emotionsgeladene Moment: Pfarrer Salentin, Kirsten Jakobs (Küsterin in Kückhoven) und Gemeindereferent Michael Kock (re.) tragen Lektionar, Messkelch, Hostienschale und Allerheiligstes aus der nunmehr ehemaligen Pfarrkirche St. Lambertus.

Domkapitular Rolf-Peter Cremer verliest das Dekret des Bischofs zur Entwidmung. Dann der emotionsgeladene Moment: Pfarrer Salentin, Kirsten Jakobs (Küsterin in Kückhoven) und Gemeindereferent Michael Kock (re.) tragen Lektionar, Messkelch, Hostienschale und Allerheiligstes aus der nunmehr ehemaligen Pfarrkirche St. Lambertus.

Foto: J. LAASER

Im Giebeldreieck über dem Doppelportal der Immerather Pfarrkirche St. Lambertus thront in Stein gemeißelt seit 122 Jahren Christus als Weltherrscher gemeinsam mit Maria und Johannes, die an seinem Kreuze standen, darunter ist der Erzengel Michael zu sehen, der den Satan bezwingt. Übertragen in die Neuzeit wäre der Schutzpatron vermutlich so nicht dargestellt worden, den Kampf gegen die "teuflischen Giganten" — sprich die Abraumbagger-Ungetüme — hätte er verloren.

Gotteshaus wegen Tagebau entwidmet: Gläubige weinen beim Abschied vom Immerather Dom
Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Wie schon in Pesch und Borschemich zuvor läuft die Umsiedlung aus Immerath wegen des nahenden Braunkohleabbaus kontinuierlich — nur noch wenige der einstmals 1500 Menschen leben in dem "Geisterdorf", das gestern einen seiner emotionalsten Momente der fast 900-jährigen Geschichte erlebte: Weil auch der "Immerather Dom", so nennt der Volksmund die wuchtige Zwei-Turmkirche St. Lambertus, nicht von den Baggern verschont bleibt, war ein Entwidmungsgottesdienst die logische Folge.

Interesse auch in Japan

Und der Dom platzte fast aus allen Nähten, denn neben Noch-Immerathern und ehemaligen Alt-Immerathern (für die aus Immerath-neu und Pescher Kamp war ein Busfahrdienst eingerichtet) hatten sich zahlreiche interessierte Erkelenzer Bürger, angeführt von Bürgermeister Peter Jansen, dort eingefunden. Kamera- und Reporterteams sowie Journalisten nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Frankreich, England, den Niederlanden, ja sogar aus Japan wollten über die tragischen Folgen des Braunkohletagebaus berichten. Natürlich auch in Verbindung mit den Szenarien der letzten Tage, die sogar den kompletten Tagebau Garzweiler II in Frage stellen. In diesem Zusammenhang hat die Stadt Erkelenz NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft um Planungssicherheit ersucht.

Immerath und der Pfarrkirche St. Lambertus aber ist die Zeit davongelaufen — hier sind die Kohlebagger nicht mehr zu stoppen. "Nun müssen wir diese Kirche schließen, weil in unserem Land Allgemeinwohl vor Eigenwohl geht. Wir empfinden Trauer und Wehmut", führte Pfarrer Werner Rombach in den Entwidmungsgottesdienst mit fast 600 Besuchern ein, dem die Immerather St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft, aber auch Nachbarbruderschaften mit prunkvollen Fahnen und Bannern und die Messdiener mit Stablichtern ein farbenfrohes Bild spendeten, während die Chorgemeinschaft Tenholt, Granterath, Hetzerath für den angemessenen Ton sorgte.

In bewegenden, anklagenden und zukunftsorientierten Worten gab Pfarrer i.R. Günter Salentin die Hoffnung zum Ausdruck, "dass sich die Rechtsauffassung derart wandelt, nicht den Profit, sondern das Wohl im Blick hat". Zu im "Immerather Dom" vollzogener Taufe, Erstkommunion, Firmung, Eheschließung, Beerdigung und zu Schule, Jugend und Vereinsleben wussten Beteiligte Erlebtes mitzuteilen.

Ida war der letzte Täufling

Voller Stolz waren die Eheleute König-Portz, deren vier Monate alte Tochter Ida noch am Tag vor der Entwidmung der letzte Täufling in St. Lambertus war. Gerührt verlor Brudermeister Hans-Toni Nelles fast die Stimme wegen des "schmerzlichen Abschieds vom geliebten Immerather Dom". Spontaner Beifall brandete auf. Schließlich bat Pfarrer Rombach darum, "das zu tun, was getan werden muss". Diese Aufgabe oblag dem Aachener Domkapitular Pfarrer Rolf-Peter Cremer.

Um 16.20 Uhr am 13. Oktober hatte er das Dekret von Bischof Heinrich Mussinghoff verlesen — St. Lambertus Immerath war nach dem Kirchenrecht keine Kirche mehr. Zum letzten Mal läuteten die Glocken, das Ewige Licht wurde gelöscht, das Allerheiligste, Lektionar, Messkelch und Hostienschale hinausgetragen.

(hg)
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