Erkelenz Giftgaswolke bedrohte Erkelenz

Erkelenz · Es war der 3. August 1983, als abends die Sirenen heulten: Nach einem Brand im Düngemittellager an der L 19 zog eine Gaswolke Richtung Stadt. Die erste Folge einer Serie über Unglücke, die die Menschen im Kreis bewegten.

Menschenleere Straßen, sogar die Autobahn war gesperrt. Mit nassen Tüchern sollten die Bewohner Fenster und Türen abdichten, auf keinen Fall ihre Häuser verlassen. So schallten die Warnungen der Polizei aus den Lautsprechern eines Hubschraubers und der vielen Einsatzfahrzeuge, so berichteten es auch Radio- und Fernsehsender. Am Himmel: eine bedrohlich wirkende gelbe Gaswolke, die immer größer wurde und auf die Innenstadt zutrieb. Eine Katastrophe schien sich anzubahnen an jenem Mittwoch im August 1983.

Männer in Atemschutzanzügen

In einer Lagerhalle der „Erkelenzer Landwaren“ nahe dem Betonwerk (ehemals Ziegelei Pauen) an der L 19 in Richtung Gerderath hatte sich Kunstdünger entzündet. Der ging zwar nicht in Flammen auf, aber der chemische Prozess löste eine starke Rauchentwicklung aus – der Qualm enthielt Stickstoffoxide und in ganz geringen Mengen Salzsäuredämpfe. Ursache war, wie sich später herausstellte, eine eingebaute Wandleuchte, die beim Einblasen des Düngers in die Lagerkammern unbemerkt zugeschüttet wurde. Durch den entstehenden Hitzestau enzündete sich die aus Folie und Dachlatten bestehende Beleuchtungsverkleidung. Die Hitze übertrug sich auf den Kunstdünger.

Ob und wie giftig das entstandene Gas war, wussten die rund 170 Helfer von Feuerwehr, DRK und eines ABC-Zuges zunächst nicht. Vorsorglich wurden die Bürger, die damals von einem „Chlorgestank“ sprachen, vor der Gaswolke gewarnt. Mütter holten ihre spielenden Kinder von der Straße, andere Bürger verließen ihre Wohnungen und suchten Schutz bei Freunden und Bekannten in den Nachbarorten. Umliegende Krankenhäuser wurden informiert, zwei Schulen für die eventuelle Aufnahme von Evakuierten vorbereitet. Autofahrer auf der A 46 wurden aufgefordert, zügig durch die Giftgaswolke zu fahren, die Fenster zu schließen und die Belüftung abzuschalten, bevor die Autobahn zwischen Wanloer Kreuz und Hückelhoven ganz gesperrt wurde.

Von der großräumig durch die Polizei abgesperrten Einsatzstelle wurden alle Zivilpersonen und auch Helfer ohne Atemschutzgerät „wegen Lebensgefahr“ entfernt – mittlerweile hatten sich viele Schaulustige eingefunden. In den verlassenen Straßen der gefährdeten Wohngebiete nahmen Männer in Atemschutzanzügen Luftproben und untersuchten sie auf den Gehalt von giftigen Gasen. Wie sich später herausstellte, lagen die Werte unterhalb der gesundheitsgefährdenden Grenze. Die „Entwarnung“ im Radio gegen 2 Uhr morgens bekamen die meisten Bürger vermutlich nicht mehr mit.

(RP)
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